
Im portugiesischen Parlament hat Ministerpräsident Montenegro, der eine bürgerliche Minderheitsregierung führt, am Dienstag erwartungsgemäss die Abstimmung über die Vertrauensfrage verloren. Alles deutet auf vorzeitige Neuwahlen hin – aber eher nicht auf klare Mehrheitsverhältnisse.
Zwischen dem knappen Sieg des bürgerlichen Wahlbündnisses «Aliança Democrática» (AD) bei der vorgezogenen Parlamentswahl am 10. März 2024 und dem Sturz von Ministerpräsident Luís Montenegro vergingen genau ein Jahr und ein Tag. An diesem Dienstag hat Montenegro, dessen Minderheitsregierung nur 80 der 230 Abgeordneten stellt, wie erwartet die parlamentarische Abstimmung über die Vertrauensfrage verloren. Somit spricht fast alles für vorzeitige Neuwahlen, voraussichtlich im Mai.
Wirbel um ein Familienunternehmen
Der 52jährige Montenegro war wegen des Familienunternehmens Spinumviva, das unternehmerische Dienstleistungen erbringt, wie berichtet in die Schusslinie geraten. Vertreter Opposition sahen mögliche Interessenkonflikte, die mit seinem Amt unvereinbar seien. So verlautete unter anderem, dass das Unternehmen von dem auf staatliche Konzessionen angewiesenen Betreiber von Spielcasinos Solverde eine monatliche Pauschale von 4500 Euro erhalte. Montenegro tat sich mit der Beantwortung von Fragen schwer.
Der oppositionelle Partido Socialista (PS) forderte eine parlamentarische Untersuchung. Auf einer Flucht nach vorn stellte Montenegro jedoch die Vertrauensfrage, über die das Parlament zu entscheiden hatte. Noch während der vorangegangenen Debatte wurde hinter den Kulissen um Wege zur Abwendung von Neuwahlen gefeilscht – vergeblich.
Die Opposition nicht ganz geschlossen gegen Montenegro
Vergeblich hielt Montenegro den Sozialisten die deutsche SPD als Beispiel vor. Sie verbünde sich mit der CDU, um Rechtsextremisten von der Macht fernzuhalten. In Portugal machten die Sozialisten mit der rechtsextremen Partei Chega derweil gemeinsame Sache, um die Regierung zu stürzen, meinte er. Am Ende stimmten fast alle Parteien der Opposition gegen die Regierung, denen lediglich die Abgeordneten des eigenen Lagers und die 8 Abgeordneten der Iniciativa Liberal (IL) das Vertrauen aussprachen.
Wie geht es weiter? Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa könnte theoretisch ohne Neuwahlen einen neuen Regierungschef ernennen, aber das gilt als unwahrscheinlich. Er selbst hatte schon in der letzten Woche den 11. oder 18. Mai als erste mögliche Termine für eine vorgezogene Neuwahl genannt. Vor der Auflösung des Parlaments muss er, wie in der Verfassung vorgeschrieben, die darin vertretenen Parteien anhören, und damit ist er an diesem Mittwoch beschäftigt. Am Donnerstag berief er den Staatsrat zu seiner Beratung, zur ebenfalls obligatorischen Anhörung ein.
Klare Verhältnisse nicht in Sicht
Derzeit ist kaum zu erwarten, dass Neuwahlen klare Mehrheitsverhältnisse bringen. Im Parlament dominieren derzeit die AD mit 80, die Sozialisten mit 78 und Chega mit 49 Mandaten. In einer Umfrage des Instituts Aximage, deren Ergebnisse am Dienstag bekannt wurden, lagen die Sozialisten mit 30,8% der Stimmen diesmal eher knapp vor der AD mit ihren 25,8%. Mit 17,3% ginge Chega auch aus dieser Wahl als drittstärkste Kraft hervor.
Dies wäre das dritte und definitiv letzte Mal, dass Marcelo Rebelo de Sousa das Parlament auflöst, da sich zwei Fristen überschneiden. Laut Verfassung ist die Auflösung des Parlaments in den ersten sechs Monaten nach seiner Wahl nicht möglich. Im Falle einer Wahl im Mai würde diese Frist zwar im November ablaufen, und Rebelo de Sousas zweite Amtszeit läuft erst am 9. März 2026 ab. Laut der gleichen Klausel kann er das Parlament jedoch in den letzten sechs Monaten seiner eigenen Amtszeit nicht auflösen. Mit einem allfälligen Polit-Schlamassel nach einer Neuwahl müsste sich also sein Nachfolger auseinandersetzen.