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Ukraine-Krieg

Europäer stützen Selenskyj gegen Trump und Putin

17. Dezember 2025
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Selenskyj, Merz
Rückenstärkung für die Ukraine. Präsident Selenskyj und Bundeskanzler Merz zum Abschluss des Berliner Konsultationsreigens vor der Presse. (Foto: Keystone/EPA/Clemens Bilan)

Bei den Beratungen führender Europäer mit US-Vertretern und dem ukrainischen Präsidenten in Berlin ist Trumps ursprünglicher Friedensplan zum Ukraine-Krieg in einigen Punkten ergänzt worden. Ob Moskau darauf eingeht, ist sehr zweifelhaft. Aber das europäische Engagement hilft Selenskyj, den zuvor abgestimmten Plänen Trumps und Putins eigene Interessen entgegenzustellen.

Nach dem am Wochenende in Berlin organisierten Konsultationswirbel haben die europäischen Teilnehmer eine Erklärung veröffentlicht, in der von «robusten Sicherheitsgarantien» die Rede ist, die für den Fall eines Friedensabkommerns zum Ukraine-Krieg gegenüber Kiew gegeben werden sollen. Zu diesen Garantien soll gemäss dieser Erklärung auch die Aufstellung einer «multinationalen Ukraine-Truppe» unter europäischer Führung aber «unterstützt von den USA» gehören. Welche Länder Soldaten sich an der annvisierten Sicherheitstruppe beteiligen würden, bleibt eine offene Frage. Erwähnt wird auch die Absicht, den Umfang der ukrainische Armee wie bisher auf einer Sollstärke von 800´000 Soldaten zu halten, um vor «Konflikten abzuschrecken und das ukrainische Territorium verteidigen» zu können. 

Wann und wie geht der Verhandlungsprozess weiter?

Als nächster Schritt im Prozess um eine Friedensvereinbarung ist vorgesehen, dass Washingtons Unterhändler den in Berlin offenbar auf 20 Punkte reduzierten Trump-Friedensplan mit der russischen Seite verhandeln. Trumps Vertreter, die Immobilien-Unternehmer Steve Witkoff und Jared Kushner (der Schwiegersohn des Präsidenten) waren zwar bei den Berliner Beratungen mit dabei, haben aber die Erklärung der europäischen Teilnehmer nicht mitunterschrieben.  Wann und wo und in welcher personellen Zusammensetzung die nächste amerikanisch-russische Verhandlungsrunde stattfinden soll, ist vorläufig eine ungeklärte Frage.  Nicht auszuschliessen ist die Möglichkeit, dass Trump und Putin sich, wie schon zuvor, direkt telefonisch über das Ukraine-Thema austauschen.

Höchst ungewiss bleibt auch, wie Putin als entscheidende Instanz auf die in Berlin formulierten Kriterien für ein Abkommen zur Beendigung des Ukraine-Krieges reagieren wird. Zweifellos betrachtet man in Moskau die demonstrative Solidarisierung der europäischen Führungsmächte mit Selenskyj und deren Bemühungen zur Einflussnahme auf die zwischen dem Kreml und dem Weissen Haus laufenden Ukraine-Verhandlungen als lästige Einmischung.  Viel lieber würde man sich mit Trump allein auf der Grundlage von dessen ursprünglichem 28-Punkte-Plan verständigen. Dieser war zumindest in den Grundzügen zwischen Trumps Unterhändler Witkoff und Putins Vertrautem Kirill Dmitrijew, einem in den USA ausgebildeten Finanzspezialisten, skizziert worden. 

Ungnädige Töne aus Moskau

Die ersten Reaktionen aus Putins Umkreis zu den europäisch-amerikanisch-ukrainischen Beratungen in Berlin sind denn auch in deutlich ungnädigem Unterton ausgefallen. Der Kreml-Sprecher Peskow meinte, wenn die Ukraine oder seine Verbündeten glaubten, Russland werde zu einem blossen Waffenstillstand Hand bieten, dann sei das eine Illusion. Russland wolle eine Friedenslösung, keinen Waffenstillstand, den die Ukraine nur als Pause zur späteren Fortsetzung des Krieges nutzen könnte. 

Im gleichen zynischen Stil äusserte sich am Dienstag auch der stellvertretende russische Aussenminister Rjabkow in einem Interview mit dem US-Fernsehsender ABC.  Zugeständnisse in der Frage der territorialen Zugehörigkeit des Donbass, der Krim sowie der südlichen Oblaste Saporischja und Cherson seien völlig ausgeschlossen, denn diese Gebiete seien bereits verfassungsmässige Teile Russlands.  Weil diese Territorien entgegen allen völkerrechtlichen Normen von Russland willkürlich annektiert worden sind, deshalb soll also jede Verhandlung darüber ausgeschlossen sein!  Das gilt nach Moskaus Anspruch selbst für jene Teile dieser Provinzen, die die russischen Truppen noch gar nicht erobert haben. 

Warten auf Putins nächsten Pokerzug

Allerdings haben diese abschätzigen Bemerkungen noch nicht den Stellenwert einer offiziellen russischen Reaktion auf die Berliner Beratungen für eine Lösung des Ukraine-Krieges. Konkreter wird man Putins nächste Züge im Ukraine-Verhandlungspoker mit Washington erst einschätzen können, wenn er sich selber an einer neuen Gesprächsrunde mit Trump selber oder dessen Unterhändlern beteiligt – falls eine derartige weitere Verhandlungsetappe überhaupt zustande kommt. Denkbar ist grundsätzlich immer noch, dass der Kreml aus Verärgerung über die Einmischung der Europäer und deren diplomatische Unterstützung für Selenskyj die Verhandlungen abbricht  und sich, wie angedroht, darauf einrichtet, den Angriffskrieg gegen die Ukraine unbegrenzt fortzusetzen. Auch von Seiten Trumps ist eine zumindest zeitweise Abwendung vom laufenden Verhandlungsprozess nicht völlig auszuschliessen. 

Ungeachtet all dieser Ungewissheiten und Risiken verdienen die Bemühungen der europäischen Führungsmächte Respekt, dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj bei seinem schwierigen Balanceakt im Ringen um eine akzeptable Friedenslösung den Rücken zu stärken. Ohne die aktive Einmischung der «Koalition der Willigen» unter Führung von Merz, Macron und Starmer hätte Kiew kaum Chancen, sich gegenüber einem einseitigen «Deal» zwischen den profithungrigen Machtmenschen Trump und Putin Gehör für die eigenen Interessen zu verschaffen. Das betrifft in erster Linie die Frage von sogenannten Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Rahmen eines Friedensabkommens. Nachdem Putin sämtliche früheren Anerkennungen der völkerrechtlich verbrieften ukrainischen Grenzen mit Füssen getreten hat, kann man verstehen, dass Kiew nun handfestere Sicherheiten verlangt. 

Illusorisch und «friedensfeindlich»? 

Eine solche wäre tatsächlich die Stationierung einer «multinationalen Ukraine-Truppe» unter europäischer Führung und logistisch «unterstützt von den USA», wie sie in der Berliner Erklärung stipuliert wird. Auch die Aussicht, dass die EU-Regierungschefs sich möglicherweise noch in dieser Woche darauf einigen könnten, die in Brüssel eingefrorenen russischen Staatsgelder im Umfang von weit über 100 Milliarden Dollar als Darlehen für den Wiederaufbau der Ukraine freizugeben, würden es Kiew erleichtern, die bittere Medizin von territorialen Verlusten an den russischen Aggressor zu schlucken.

Es ist deshalb billig, über dieses europäische Engagement als illusorisch die Nase zu rümpfen. Oder es gar, wie Putin-Einschmeichler im Westen das tun, als «friedensfeindlich» zu denunzieren. Auch die jetzt in Betracht gezogene Möglichkeit, die Ukraine beschleunigt als EU-Mitglied aufzunehmen, wäre keine nutzlose Geste. Bei allen wirtschaftlichen und auch militärischen Problemen, die sich bei einer solchen Entscheidung ergeben würden, so kann man doch davon ausgehen, dass der Kalkulator im Kreml es sich mehr als zweimal überlegte, ein EU-Land anzugreifen, auch wenn dieses nicht der Nato angehört. Die Mehrheit der EU-Staaten indessen, die von einem solchen Angriff mitbetroffen wären, sind bereits Nato-Mitglieder. 

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