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Ausstellung

Der Historienmaler Jacques-Louis David im Louvre

18. Dezember 2025
Patrick Straumann
Patrick Straumann
David, Napoleon überquert die Alpen
Jacques-Louis David: Napoleon überquert die Alpen, 1801 (Foto: KEYSTONE/Steffen Schmidt)

Am 29. Dezember 1825 ist der französische Historienmaler Jacques-Louis David im belgischen Exil gestorben. Eine Ausstellung im Louvre erinnert an das Werk und die Erbschaft des Malers. War Charles Le Brun der Hofkünstler und (gemäss Charles Perrault) «das Instrument» des Sonnenkönigs, so erscheint Jacques-Louis David im Rückblick als der genuine Chronist der französischen Revolution und — später — des Ersten Kaiserreichs.

 

 Kein anderer Maler hat die historischen Ereignisse um die Jahrhundertwende 1800 derart eloquent in Form gebracht: Davids Bildsprache erwies sich in ihrer Dramatik so effizient, dass sie selbst das Geschichtsbewusstsein prägen konnte. «Marat assassiné», «Le Sacre de Napoléon» und «Bonaparte franchissant les Apes» besitzen mittlerweile nicht nur einen ikonischen Status, die Gemälde zeigen auch exemplarisch, wie die Epoche und der künstlerische Ausdruck, wie Ideologie und Ästhetik sich wechselseitig beeinflussen können.

Gegen das Ancien Régime

Die Annäherung von Kunst und Geschichte resultierte bei David gemäss dem Kunsthistoriker Antoine Schnapper auf einer «doppelten Verweigerung»: sein neoklassischer Stil, der in seinen Historiengemälden zu einem neuen Ausdruck fand, kehrte nicht nur der artifiziellen Malerei des 18. Jahrhunderts den Rücken, seine Themen und Bildsprache wandten sich auch frontal gegen das Privilegien- und Klassensystem des Ancien Régime, das mit der Revolution ein radikales Ende fand.

Es erscheint in dieser Hinsicht zumindest paradoxal, dass sich der Beginn von Davids Karriere auf seine Verwandtschaft mit François Boucher zurückführen lässt: 1764 hatte Boucher, damals «Premier peintre du Roi», den fünfzehnjährigen, entfernten Cousin im Atelier empfangen und später, als sich Bouchers Altersbeschwerden häuften, beim «modernen» Malermeister Joseph-Marie Vien untergebracht. Seine solide Ausbildung ermöglichte es David, Fragonard bei einem einen Auftrag im Landsitz der Comtesse du Barry auszustechen; 1774 gewinnt er erstmals den Grand Prix de Rome. In Italien wird sich seine Bildsprache auch grundlegend ändern: er stellt Kopien von Renaissance-Werken her, studiert Raffael, Caravaggio und Poussin, zeichnet die archäologischen Bildbände von Winckelmann du Piranesi nach. Den «blassen» Farben der französischen Schule stellt er nach eigenem Bekennen den «kraftvollen Ton» und den Realismus des italienischen Seicento entgegen. 

Sichtbar ist der «römische» Einfluss in seinem «Saint Roch intercédant pour les pestiférés» (1780), einem seiner seltenen religiösen Motive, sowie in «Bélisaire», das mit seiner Darstellung des bettelnden Generals unter Justinian als erstes Gemälde seiner neo-klassischen Phase gilt. Den sicheren Blick für die Dramaturgie (und das Porträt) lässt sich auch im Folgewerk erkennen. 1787 entsteht «La mort de Socrate», 1789, im Jahr des Bastille-Sturms, malt er «Les licteurs rapportent à Brutus les corps de ses fils», ein Historiengemälde (Brutus, ein Vorfahre des Caesarmörders, hat seine Söhne wegen Republikverrats hinrichten lassen), das die kommenden Spannungen zwischen Staatstreue und familiärer Katastrophe eloquent vorauszunehmen scheint. Die Geschichte erscheint in der figurativen Anlage des Gemäldes als Tragödie, aus der es kein Entkommen gibt: sieht hat sich das Bild näher an, wird man in seinem geometrischen Zentrum einen unscheinbaren, in Grautönen gehaltenen Nähkorb erkennen, aus dem die zwei Klingen einer Schere ragen. 

Bekehrung zur jakobinischen Hagiographie 

Es sind allerdings die Revolutionsjahre, die David seine prägendsten Arbeiten verhelfen sollten. Unvollendet, aber in seiner visuellen Kraft ebenso ausdrucksstark, ist «Le serment du Jeu de Paume», die Illustration eines politischen Schlüsselmoments, mit dem die Abgeordneten am 20. Juni 1789 dem Ancien Régime ein Ende setzen. Auf «Marat assassiné», das Jean-Paul Marat in einer nachgerade christlichen Opferpose zeigt, folgt «La mort du jeune Bara», das ganzkörperliche Porträt eines Vierzehnjährigen, der, unbekleidet bis auf die Kokarde, die ihm aus der Hand fällt, als «Märtyrer der Revolution» in die Geschichte eingegangen ist. 

Davids «ästhetische» Abkehr vom 18. Jahrhundert, beziehungsweise seine Bekehrung zur jakobinischen Hagiographie ist umso leicht nachzuvollziehen, als er den revolutionären Idealen in politischer Hinsicht bedenkenlos folgen konnte. Er engagierte sich (obschon er Mitglied der Institution war) für die Abschaffung der «Königlichen Akademie für Malerei», liess sich in den Nationalkonvent wählen und wurde zum Organisator der revolutionären Feiern. Als Abgeordneter stimmte er für den Tod von Louis XVI und galt als einer der nächsten Vertrauten von Marat. Seine Nähe zu Robespierre trug ihm nach dem Fall und der Hinrichtung des Revolutionärs eine Haftstrafe ein.

Ästetik des klaren Strichs

Die Nähe von Talent und politischer Tabula-Rasa-Überzeugung hat seinem Werk einen einzigartigen Glanz verliehen. (Ethische) Zweifel waren in den Jahren der «terreur» genauso wenig angesagt wie nuancierte Urteile: die Epoche verlangte nach einer Ästhetik des klaren Strichs, sowohl «die Geschichte» als auch ihre Akteure erscheinen jeweils vor neutralem Grund. Beispielhaft in dieser Hinsicht ist die Marat-Hommage, in der selbst die Figur Charlotte Cordays, die Mörderin des Revolutionärs, unsichtbar bleibt. Seine Frauen-Porträts, etwa von Marie-Louise Josèphe Trudaine, oder von Madame Récamier, ebenfalls ohne Staffage gemalt, sind präzise Charakterstudien, in denen der detailversessene Blick in erster Linie der psychologischen Intuition zugutekommt. 

Nach dem Aufstieg Napoleons hatte sich David opportun in den Dienst des Kaisers gestellt. Ein eindrucksvolles Zeugnis hiervon bietet «Bonaparte franchissant le Grand-Saint-Bernard», in dem das Savoir-faire des an der Renaissance geschulten Malers nahtlos in eine Verneigung vor der kaiserlichen Autorität übergeht. Der perfekte Realismus, wie er sich beispielweise in den farblichen Abstufungen, in der Darstellung der vom Wind verwehten Mähne des Hengsts und in den Falten in der Kleidung Napoleons zum Ausdruck kommt, steht hier unverhohlen im Dienst der Propaganda. 

Suggestive Kraft seiner Kunst 

Im «Sacre de Napoléon» tritt das Projekt, die Grösse der kaiserlichen Figur zu zelebrieren, vielleicht am direktesten zutage. Das sechs mal zehn Meter grosse Monumentalgemälde zeigt die Kaiserkrönung, die am 2. Dezember 1804 in der Pariser Notre-Dame stattgefunden hatte. Die Lichtregie, das Statistenpanorama im Hintergrund, die vertikalen Marmorsäulen der Kathedrale und die diagonal ausgelegte Brokatschleppe der Kaiserin Joséphine: Realismus und Bildregie stellen sich hier in den Dienst eines Geschichtsverständnisses, das die Nachbeben der Revolution auch für spätere Generationen les- und nachvollziehbar machen sollte.

David wollte die Kunst und die Politik seiner Zeit verändern — zweifellos mit Erfolg: Baudelaire beschrieb «Marat assassiné» 1846 als «ein Geschenk an das Vaterland». Der Kunsthistoriker Élie Faure notierte 1921 in seiner «Histoire de l’Art» bezüglich der Porträts: «sie sind gebaut wie Monumente, und doch bewegt sich ihre Oberfläche. Sie strahlen zugleich Kraft und Freiheit aus». Heute, zweihundert Jahre nach Davids Tod, springt sein bedingungsloses Engagement ins Auge: das Charisma des Malers, die suggestive Macht seiner Kunst sind nach wie vor intakt.

(«Jacques-Louis David», bis 26. Januar)

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