Die Staatschefs Putin und Xi haben am 4. Februar 2022, am Tag vor der Eröffnung der damaligen Olympischen Spiele in Peking und drei Wochen vor dem Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine, eine gemeinsame Erklärung über internationale Beziehungen in einer neuen Ära veröffentlich (Journal 21 vom 30. August 2025: Im Hintergrund die russisch-chinesische Strategie).
Am Sonntag und Montag haben in Genf Gespräche über die Ukraine stattgefunden, nun sind sie bereits nach Abu Dhabi verlegt worden. Daher ist kurz auf diese gemeinsame Erklärung zurückzukommen: Die Erklärung beginnt als demagogischer Tsunami damit, dass die beiden Seiten die Prinzipien des Gewaltverzichts (non-use of force), des Respekts für die nationale Souveränität und der fundamentalen Menschen- und Freiheitsrechte, die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Staaten, wie in der Uno-Charta festgehalten, unterstreichen. Russland und China bestärken erneut die Schlüsselrolle der Vereinten Nationen bei der Bekämpfung von Bedrohungen der internationalen Informationssicherheit.
Wie Peking und Moskau die Uno-Charta interpretieren
Russland und China als Weltmächte und ständige Mitglieder der Uno-Sicherheitsrates beabsichtigten, sich streng an die moralischen Prinzipien zu halten und dafür Verantwortung zu tragen, das internationale System mit der koordinierenden Rolle der Vereinten Nationen in internationalen Angelegenheiten zu unterstützen und die internationale Ordnung gestützt auf das Völkerrecht, einschliesslich die Zwecke und Prinzipien der Uno-Charta, zu verteidigen.
Gemessen an der Wirklichkeit ist dies nicht nur an Verlogenheit kaum mehr zu überbieten. Diese Sätze zeigen auch, wie die beiden Staatspräsidenten die Uno-Charta uminterpretieren und ihre Interpretation der ganzen Welt oktroyieren wollen. Die koordinierende Rolle des Uno-Sicherheitsrates hat Putin mit seinem Veto gerade ausgehebelt.
Danach wechselt der Duktus: Die beiden Seiten beabsichtigen, die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und die existierende Nachkriegs-Weltordnung ebenso wie die Autorität der Vereinten Nationen und die Gerechtigkeit in den internationalen Beziehungen aufrechtzuerhalten und jeglichen Versuchen, die Geschichte des Zweiten Weltkriegs abzulehnen, zu verdrehen oder zu fälschen, zu widerstehen. Die beiden Seiten widersetzen sich einer weiteren Ausweitung der Nato, rufen diese auf, ihren ideologischen Ansatz des kalten Krieges aufzugeben sowie die Souveränität, Sicherheit und Interessen anderer Länder zu respektieren. Die chinesische Seite begrüsst und unterstützt die russischen Vorschläge für rechtlich bindende Sicherheitsgarantien in Europa.
Worte und Taten
Das heisst, die beiden streben an, das heutige Russland in den Grenzen der damaligen Sowjetunion (wieder) entstehen zu lassen. Sie widersetzen sich jeglicher Einflussnahme der Uno und anderer Staaten, die nicht ihre neue Weltordnung akzeptiert. Und dies auch militärisch, denn nach ihrer Interpretation ist die «militärische Spezialoperation» in der Ukraine eine rein inner-russische Angelegenheit, also in deren Souveränität – auch in einem von Russland, mehrfach vertraglich bestätigt, unabhängigen Staat. Solches wird Putin, falls er in der Ukraine doch Erfolg haben sollte, auch auf die baltischen Staaten und Moldawien, ev. weitere, übertragen.
Seit dem 24. Februar 2022 hat primär Putin den Worten bis jetzt pausenlos Taten, die scheusslichsten Kriegsverbrechen, folgen lassen. Dies mit der geleugneten, in dieser Erklärung aber angekündigten Unterstützung Chinas. Auch ohne ein Urteil des Internationalen Strafgerichtshofes ist jedem normal denkenden Menschen klar, dass Putin für diese Kriegsverbrechen verantwortlich ist. Die UNO-Generalversammlung hat immerhin die Invasion Russlands als Aggression und damit Kriegsverbrechen verurteilt. Der erste Gehilfe ist Xi, ein weiterer Kim Yong Un, der Nordkoreaner.
Trumps dubioser «Friedensplan» für die Ukraine
Nun hat sich Präsident Trump mit seinem sog. «28-Punkte-Friedensplan» dazugesellt, mittlerweile auf 19 noch nicht bekannte Punkte abgespeckt. Mit diesem Plan macht er nichts anderes, als die Uno-Charta und das zwingende Völkerrecht mit Füssen zu treten – und Putin in seinem x-fach völkerrechtswidrigen Bestreben zu unterstützen. Nicht nur mit dem direkten Bezug auf die Ukraine, sondern auch mit Bezug auf ganz Europa. Was heisst denn «Frieden»? Frieden ohne Freiheit gibt es nicht. Präsident Trump ist daher der grösste Freiheitskiller aller amerikanische Präsidenten. MAGA: Make America Grisly Allover.
Nun hat Trump verkündet, er befürworte Straffreiheit für Putin. Straffreiheit für das Verbrechen der Aggression gegen einen souveränen Staat, Straffreiheit für die in Serien während bisher dreieinhalb Jahren begangenen grauenhaftesten Kriegsverbrechen? Will Trump damit ein Präjudiz für sich schaffen, falls er Venezuela oder Grönland oder welches Land auch immer militärisch anzugreifen beschliesst?
Es ist höchste Zeit, dass auch in «diplomatischen» Gesprächen das Völkerrecht nachdrücklich zur Sprache kommt. Sonst werden wir dafür noch bitter büssen müssen.