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Zwischenruf

«Der Krieg kommt näher – die Schweiz schaut weg»

10. Oktober 2025
Markus Mohler
Markus Mohler
Rekruten
Gefechtsschiessen in der Nähe von Chur, 27. Mai 2025 (Keystone/Gian Ehrenzeller)

Der Chef der Armee, Korpskommandant Thomas Süssli, und der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Herr Severin Moser, haben sich in einem offenen Brief an die Schweizer Wirtschaft gewandt. Ihr Anliegen ist es, dass die Verantwortlichen aller Stufen der Wirtschaft den Militärdienstleistenden mehr Verständnis entgegenbringen. Das gilt für die Rekrutenschule, die Wiederholungskurse und das Weitermanchen, also die Beförderungsdienste, gleichermassen.

Anlass war, dass sich mehrere Armeeangehörige online beschwerten, sie hätten bei der Stellensuche oder mit dem Arbeitgeber wegen des Militärdienstes Schwierigkeiten. Der Chef der Armee hat darauf diejenigen, die sich so geäussert haben, eingeladen, ihre Probleme ihm direkt zu schildern. Das haben sie getan. Ähnliche Probleme bei der Stellensuche zeigen sich auch in einer ganz anderen Art: Frauen zu Beginn einer Schwangerschaft wagen es nicht, ihren Zustand bei einer Bewerbung zu nennen.

Verfassungsmässige Pflicht

Vielen Verantwortlichen in der Wirtschaft ist offenbar entgangen, dass das Leisten von Militärdienst eine verfassungsmässige Pflicht ist – und auch, dass darauf das Milizsystem beruht. Dieses geht nicht ohne zweitweises Fehlen am Arbeitsplatz – wie  auch bei einer Schwangerschaft. Dass wir in der Schweiz ein grosses Geburtendefizit, namentlich bei den Schweizerinnen, aufweisen, ist gesamtvolkswirtschaftlich offenbar auch  nicht von Belang.

Es ist noch keine zwei Generationen her, da waren hohe und höchste Wirtschaftsführer selber auch hohe Armee-Offiziere. Ihnen musste niemand das Miteinander erklären. Es war eine Selbstverständlichkeit, ihre Notwendigkeit klar und die Folgen logisch. 

Dass die Wirtschaft auch auf der Sicherheit des Landes und seiner sich fortpflanzenden Bevölkerung beruht, ist eigentlich eine Binsenwahrheit. Aber auch diese wird offensichtlich von zu vielen verdrängt. Kürzlich hiess es in einem Kommentar der NZZ: «Der Krieg kommt näher – die Schweiz schaut weg». Ähnlich lautet ein Bonmot zur Denkweise der Schweizer: Frankreich und Deutschland können untergehen, aber die Schweiz doch nicht. In beiden Zitaten wird zum einen eine unreflektierte kollektive Überheblichkeit ausgedrückt. Zum andern spiegelt sich darin auch der derzeit politisch gezüchtete Isolationismus in der Form von drei (!) Volksinitiativen. Gleichzeitig unternimmt die SVP alles, um Anstrengungen zur Verbesserung der Sicherheit im Innern (Bekämpfung der organisierten Kriminalität) und der Verteidungsfähigkeit zu behindern oder zu blockieren. Aber sie posaunt permanent, sie setze sich für Sicherheit ein. Das Gegenteil ist der Fall.

Fehlender Wehrwille

Dazu kommt, dass gegen  die eben vom Parlament beschlossene Einschränkung des Zivildienstes anstelle des Militärdienstes das Referendum ergriffen wird. Die Beliebtheit von Zivil- statt Militärdienst kommt nicht  von ungefähr. Die Arbeitsbedingungen sind beim Zivildienst unvergleichlich angenehmer, man kann die Art des Dienstes weitgehend auswählen, keine körperlichen Anstrengungen, man schläft zuhause und nicht in einer Truppenunterkunft und Disziplin ist auch kein Thema. Fast kein Unterschied zum normalen Leben. Da nimmt man die um das anderthalbfache längere Dienstzeit gerne in Kauf. Es ist aber auch erstaunlich, dass sich die Wirtschaft gegen diese Ungleichheit nicht mehr wehrt.

Dieser angestrebte Isolationismus, die noch lange dauernde Verteidigungsunfähigkeit, das Fehlen des Wehrwillens und das Unterlaufen der Anstrengungen für eine wirkungsvolle Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist eine höchst toxische Mischung für die Sicherheit des Landes. Aber dies scheint bisher nur wenige zu kümmern. «Man» ist angeblich stolz auf die Schweiz, ihre Grundlagen versteht man aber nicht mehr, will sie nicht verstehen oder ignoriert sie. 

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