Gutmeinende Kommentatoren sagen, das Eis sei nun gebrochen, die beiden Präsidenten würden wieder «konstruktiv» miteinander sprechen. Doch man hat in Anchorage wesentlich mehr als nette Worte erwartet. Putin hat erfolgreich auf Zeit gespielt. Der Krieg geht weiter. Der Kreml-Chef hat den amerikanischen Präsidenten vorgeführt.
Man hatte in Anchorage stundenlange Gespräche erwartet. Mindestens sechs oder sieben Stunden sollten sie dauern, hiess es am Freitag im Kreml. Doch schon nach knapp drei Stunden war alles zu Ende. Man wurde sich offenbar schnell einig, dass man sich in den wichtigsten Punkten nicht einig werden konnte. «Agree to disagree».
Auch die kurze Medienkonferenz nach dem Treffen verspricht wenig Positives. Zwölf Minuten dauerte sie. Trump liebt es normalerweise, sich vor den Medien lange und wortgewaltig auszubreiten. Diesmal war er wortkarg. Als die Medienleute nach den Schlusserklärungen von Trump und Putin die Hände hochhielten und Fragen stellen wollten, verschwanden die beiden. Man hatte sich darauf geeinigt, keine Fragen zu beantworten. Denn wahrscheinlich hätte man nichts zu sagen gehabt.
Beide Präsidenten sprachen von einem «konstruktiven Gespräch». Diplomaten wissen, dieses «Wording» bedeutet, dass man sich nicht näher gekommen ist. Immerhin konnte ein Eklat vermieden werden. Trump hatte am Freitag noch gesagt: «Wenn das Gespräch schlecht läuft, werde ich gehen.» Er ging nicht. Man macht gute Miene, lächelt sich zu, lobt sich sogar – und kommt sich nicht näher.
Trump hatte vor dem Treffen gesagt: «Ich werde mit Wladimir Putin sprechen und ihm sagen: ‹Du musst diesen Krieg beenden. Du musst!›» Sollte der Kreml-Chef nicht dazu bereit sein, droht ihm der amerikanische Präsident mit «sehr schwerwiegenden Konsequenzen» (very severe consequences). Und jetzt? Putin ist offenbar nicht bereit, den Krieg zu beenden. Von «schwerwiegenden Konsequenzen» spricht jetzt niemand mehr.
Putin hatte vor dem Treffen angedeutet, dass Moskau und Washington während ihres Gipfeltreffens eine Einigung über die Kontrolle von Atomwaffen erzielen könnten. Es geht um die Verlängerung des New-Start-Vertrags, der eine Obergrenze für Nuklearsprengköpfe, Interkontinentalraketen und weitere Trägersysteme festlegt.
Dazu wurde an der Pressekonferenz kein Wort gesagt. War die Stimmung während des Gipfelgesprächs so angespannt, dass man nicht einmal dazu kam, dieses Thema anzuschneiden? Wir wissen es nicht.
Wir wissen eigentlich gar nichts, was in Anchorage während den knapp drei Stunden besprochen wurde. Doch es gibt Anzeichen dafür, dass Putin sich – wie erwartet – nicht bewegte. Hat er Trump mit vagen Versprechen eingelullt – und konkret keinerlei Konzession gemacht?
Putin hat immer wieder klar gemacht, dass er die ganze Ukraine will. Ein Hinweis darauf gab auch Putins Aussenminister Lawrow, der in Anchorage mit einem Sweatshirt erschien, auf dem in kyrillischer Schrift das Wort «UdSSR» (für Sowjetunion) steht. Putin will die Sowjetunion wieder herstellen, und dazu gehört die Ukraine.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte vor dem Treffen gesagt, es gebe «keinerlei Anzeichen» dafür, dass Russland den Krieg beenden wolle. Selbst am Tag des Gipfelgesprächs habe die russische Armee zahlreiche Angriffe auf die Ukraine verübt. «Das spricht Bände», sagte Selenskyj.
Es gibt Hinweise dafür, dass es Putin erneut gelungen ist, Zeit zu gewinnen. Und während von einem «eventuell weiteren Gipfelgespräch» palavert wird, rückt Putins Armee gegen Westen vor.
Putin kann das Treffen als Erfolg feiern. Einst hatte Trump den russischen Präsidenten als «absolut verrückt» (absolutely crazy) bezeichnet und erklärt, er sei «stinksauer» (very pissed off) auf ihn. Jetzt, als Putin in Anchorage auf dem Roten Teppich erschien, klatschte Trump freudig in die Hände. Er schüttelte Putin nicht nur die Hand, sondern legte die seine freundschaftlich auf Putins Handrücken, als wäre es ein Wiedersehen bester Freunde. Der Kreml-Diktator ist zurück auf der Weltbühne – ohne Konzessionen gemacht zu haben.
Trump hat den Kriegsverbrecher Putin rehabilitiert.