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Kommentar 21

Wozu Staatsbesuche?

23. August 2021
Stephan Wehowsky
Zum Abschied hat Angela Merkel zuerst Wladimir Putin, dann Wolodimir Selenski besucht – Szenen gequälter Höflichkeit.

Zum Anfang ihres Besuchs in der vergangenen Woche im Kreml überreichte Wladimir Putin der Kanzlerin einen Blumenstrauss von grösster Sparsamkeit. Damit war zum Thema Wertschätzung alles gesagt. Die Statements der beiden vor der internationalen Presse schrammten zudem knapp an einem Eclat vorbei. Überraschend war das nicht. 

Und dabei ist Merkel eine der Letzten, die sich für Nord Stream 2 stark machen. Damit tritt Merkel wiederum jenem Präsidenten schon seit längerer Zeit schmerzhaft auf die Füsse, dem ihr unmittelbar anschliessender Besuch galt: Wolodimir Selenski. Auch ihm gegenüber konnte sie nur altbekannte Zusicherungen wiederholen, an die sie selbst so wenig glauben dürfte wie an die Wirksamkeit ihrer Kritik an der Behandlung Alexei Nawalnys, mit der sie pflichtschuldig Putin nervte.

Was hätte man auch anderes erwarten können? In dem zähen Brei heutiger Politik können auch Staatschefs nicht von einem Moment auf den anderen dem Weltgeschehen allein deswegen neue Wendungen geben, weil ihnen ihr Gegenüber bei einem Besuch ganz besonders imponiert. Es hat solche Fälle gegeben, aber sie scheinen immer seltener zu werden. Dafür werden die Fototermine immer wichtiger, gerade auch bei den Gipfeltreffen in diversen Formaten internationaler Zusammenschlüsse.

Wäre es nicht an der Zeit, Staatsbesuche und Gipfeltreffen stark zu reduzieren oder wegen Ineffizienz ganz abzuschaffen? Schaut man auf die Jahrmärkte der Eitelkeiten mit den zahllosen «Familienbildern», wie die Fotos der fein säuberlich aufgereihten Staatschefs auch genannt werden, liegt dieser Schluss nahe. Da möchte man gerne die viel zu heisse Luft ablassen.

Tatsächlich aber hat sich die Zahl der internationalen Begegnungen auch auf höchsten Ebenen aufgrund von Corona reduziert, weil vieles über Videokonferenzen lief. Dabei aber zeigte sich, dass die physische Präsenz durch nichts zu ersetzen ist. So gibt es bei internationalen Verhandlungen immer mal wieder die Drohung, dass eine Sitzung erst nach der Erzielung eines Ergebnisses beendet wird. Das geht nicht per Video. Zudem wissen Diplomaten und andere Fachleute, die im Hintergrund wirken, zu berichten, wie wichtig es ist, einen Gesprächspartner auch einmal am Rande einer Konferenz unter vier Augen zu sprechen.

Es ist Merkels Geheimnis, ob bei ihrer Abschiedstournee im Hintergrund mehr gelaufen ist als im Vordergrund. So recht glauben mag man daran nicht. Zu vieles ist festgefahren.

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