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Kommentar 21

Wiederkehr der Helden

22. April 2021
Urs Meier
Verzweifelter Mut und Opferbereitschaft halten den Widerstand in Myanmar aufrecht.

Heldentum schien als Haltung im politischen und militärischen Kampf eigentlich passé, zumindest ausserhalb des Blockbuster-Kinos. So ist der sein Leben opfernde Krieger keine strahlende Identifikationsfigur mehr. Im Gegenteil, das Sterben eigener Leute bei Militäreinsätzen ist für einen Oberbefehlshaber zum grössten Risiko geworden. Bloss keine Heimkehrer in Body-Bags! Deshalb setzt man wo immer möglich auf Drohnen, Lenkwaffen, Kampfroboter und anderes Hightech-Gerät, das Heldentum überflüssig macht. Wir leben in postheroischen Zeiten, so die Diagnosen der letzten rund dreissig Jahre.

Und jetzt dies: In Myanmar gehen seit Wochen fast jeden Tag Tausende vorwiegend junge Leute auf die Strassen. Sie stellen sich einer ausser Rand und Band geratenen Soldateska, die scharf und gezielt in die Menge schiesst, mit dem Mut der Verzweiflung entgegen. Zum Demonstrieren gehört dort mittlerweile eine persönliche Opferbereitschaft. Von Seiten der Aufständischen ist denn auch immer wieder zu hören, dass sie bewusst ihr Leben riskieren, um gegen die Diktatur der Generäle zu kämpfen.

Wäre nicht das Wort so sehr kontaminiert durch autoritären Missbrauch, man würde die mit dem Dreifinger-Symbol friedlich gegen die brutalen Machthaber demonstrierenden Frauen und Männer gern Heldinnen und Helden nennen. Doch nach allen historischen Erfahrungen der Instrumentalisierung von Heldentum kann es heute kaum noch einen unschuldigen und unzweideutigen Gebrauch dieses Begriffs geben. Wer den Demonstrierenden in Myanmar den Respekt erweisen will, indem er von ihrem Heldentum spricht, kann allzu leicht wie ein Voyeur tönen, der sie aus sicherer Distanz anfeuert.

Heute ist es vor allem diese ungesuchte Zuschauerrolle, die es einem verunmöglicht, unbefangen von Heldentum zu reden. Durch die aktuellen News-Bilder von der systematischen Brutalität, die in Myanmar Alltag geworden ist, sind wir, obschon unbeteiligt, ganz nahe dran am fernen Geschehen. Mit Geschichten von Heldinnen und Helden aber verhält es sich so, dass sie Distanz voraussetzen. Sie erst ermöglicht die Verarbeitung des Geschehens zu einer Erzählung, die auf ein Ziel hinführt und deshalb einen Sinn hat. Irgendwann wird es vom Militärputsch und dem darauf antwortenden Volksaufstand in Myanmar eine solche sinnhafte Geschichte geben, in der die Heldinnen und Helden ihren wichtigen Platz haben. 

Die Diagnosen eines postheroischen Zeitalters waren vielleicht voreilig.

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