Selbst wenn sie die griechischen Staatsschulden komplett ans Bein streichen müssen, sind die deutschen Steuerzahler gemäss einer Studie die grossen Gewinner der griechischen Pleite. Wie das?
Seit 2010 habe der deutsche Finanzminister wegen der durch die Krise gedrückten Zinsen mehr als 100 Milliarden Euro gespart, heisst es in einer Untersuchung des unverdächtigen Instituts für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle (Saale). Dies sind mehr als die rund 90 Milliarden Euro, die Griechenland Deutschland direkt schuldet oder für die Deutschland über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) Garantien abgab. «Diese Einsparungen übertreffen die Kosten der Krise – selbst dann, wenn Griechenland seine Schulden komplett nicht bedienen würde», heisst es in einer Mitteilung des Forschungsinstituts. «Deutschland hat also in jedem Fall von der Griechenlandkrise profitiert.»
Tiefe Zinsen machen’s möglich
Wie kommt dieses auf den ersten Blick nicht plausible Ergebnis zustande: Mit der Krise suchten Investoren aus aller Welt besonders sichere Anlagen. Deutsche Staatsschulden (Bunds), Schweizer Eidgenossen, usw. Ausserdem flutete die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldmärkte und drückte so die Renditen. Deutschland konnte auslaufende Staatsanleihen praktisch zum Nulltarif refinanzieren.
Was wäre ohne Krise passiert? Die Forscher aus Halle kommen mit zwei Methoden praktisch zum gleichen Ergebnis: Einmal rechneten sie mit den vor der Krise üblichen Zinssätzen. Bei der zweiten Methode schätzten sie die Zinssätze, wie sie ohne Krise wahrscheinlich gewesen wären.
Schlecht für den einen, gut für den anderen
Die sogenannte Flucht in die sicheren Häfen ist ein an den Märkten oft beobachtetes Phänomen – deshalb der starke Aufwertungsdruck auf den Franken wenn die Welt im Krisenmodus ist. Die Ökonomen erkannten auch hier einen Zusammenhang: «Schlechte Nachrichten in Griechenland waren gute Nachrichten in Deutschland und umgekehrt», heisst es in der Mitteilung des Instituts. Und damit nicht genug: Da sich die Verwerfungen an den Märkten nicht gelegt haben und da die Zinsen weiterhin massiv künstlich gedrückt werden, sind die Aussichten für Deutschland weiterhin glänzend.
Natürlich hat die Studie auch Haken – die Auswirkungen der Krise auf die Gesamtwirtschaft wurden nicht berücksichtigt – nur diejenigen auf den Finanzhaushalt. Hat die Unsicherheit die Auslandsnachfrage gedämpft? Hat der schwache Euro die Exporte beflügelt? Sind die Investitionen krisenbedingt gesunken? Wurde die Wirtschaft durch Einwanderung gestärkt? Hatten die tiefen Zinsen negative Ergebnisse auf die deutschen Sparer? Das blieb alles unberücksichtigt. Aber trotzdem: Die Finanzen des deutschen Staates wurden enorm entlastet.