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Ein öffentliches Tabu

„Was gehen einen Gourmet die Gastronomiepreise an?“

2. Mai 2011
Journal21
Lebensmittel- und Gastronomiepreise sind immer noch ein Tabu. Noch immer lassen wir uns den reichhaltigen Tisch decken, ohne Rechenschaft darüber, wen wir dafür wie entschädigen. Der Anteil unseres Einkommens, den wir für Lebensmittel aufwenden, nimmt ständig ab.

Während wir 1950 fast die Hälfte ausgegeben haben, ist der Anteil im letzten Jahr auf 8 Prozent gesunken. Moralische Appelle nützen da wenig, das Mitgefühl reicht oft nicht bis zum Nachbarn, wie soll es da weltumspannend sein? Was es braucht, sind Regulatoren - eine Art „Ausgleichszoll“ - der dafür sorgt, dass die Produzenten der Zweiten oder Dritten Welt, die notabene 50-90 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel hergeben, anständig entschädigt werden.

Längst wäre ein einheitliches Label, etwa nach einem Punkteprinzip, fällig, welches nicht nur die Inhaltstoffe eines Produkts anzeigt, sondern auch Faktoren wie Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit und vor allem Preisgerechtigkeit (fair Trade).

Preisliche Unstimmigkeiten zeigen sich nicht nur im Welthandel. Auch in der hiesigen Gastronomie ist der Preis Tabu, hier werden Löhne gezahlt, bei denen eigentlich jede Gewerkschaft heisslaufen müsste, sie befinden sich am Schluss des Branchenrankings. Oft kann sich ein Gastronomiebetrieb nur über Wasser halten, wenn er Asylanten oder Studenten zu 10-20 Franken je Stunde beschäftigt, nicht selten arbeiten Familienmitglieder kostenlos mit.

Selbst Mehrsternköche mit Nobelrestaurants kompensieren ihre Verluste durch öffentliche Auftritte, Buchveröffentlichungen oder Label-Lizenzen. Man muss sich also nicht wundern, wenn in der Gastronomie Fertigprodukte geringer Qualität verwendet werden und die Bedienung mies ist. Auch hier wartet man vergeblich auf eine öffentliche Diskussion, welche wirtschaftspolitische Konsequenzen nach sich zöge – die Preise für unsere Ernährung bleiben – egal ob wir zuhause oder auswärts essen – vorderhand tabu!

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