Direkt zum Inhalt
  • Politik
  • Kultur
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Medien
  • Über uns
close
Moldau/Moldawien

Ungarn bremst

30. September 2025
Heiner Hug
Maia Sandu
Der Westen atmet auf: Die pro-europäische PAS-Partei von Staatspräsidentin Maia Sandu gewinnt eher überraschend erneut die absolute Mehrheit. Im Westen war befürchtet worden, dass das arme Land in den russischen Machtbereich kippen könnte. Sandus Partei gewann 50,3 Prozent der Stimmen, der prorussische Patriotische Block des früheren Staatschefs Igor Dodon kam auf 24,3 Prozent. Sandu hatte Russland massive Einflussnahme im Wahlkampf vorgeworfen. Moldauische Behörden sprachen von russischem Stimmenkauf, Desinformation in sozialen Netzwerken und Cyberattacken. (Keystone/AP/Vadim Ghirda)

Der Sieg der pro-europäischen Präsidentin wird im Westen mit Erleichterung aufgenommen. Doch das Land bleibt extrem fragil und ist noch lange nicht über dem Berg. Dass dies so ist, liegt auch am Putin-freundlichen ungarischen Präsidenten.

Viele im Westen hatten ein weniger gutes Ergebnis erwartet. Dass Maia Sandu, die pro-westliche Präsidentin der früheren Sowjetrepublik Moldau (Moldawien), wieder die absolute Mehrheit errungen hat, kam doch überraschend. In erster Linie ist das Ergebnis eine Niederlage für Wladimir Putin. Mit einer aggressiven Desinformationskampagne und sehr viel russischem Geld hatte der Kreml versucht, die Wahlen zu seinen Gunsten zu beeinflussen. 

Laut dem Schlussergebnis erzielte Sandus regierende Partei «Aktion und Solidarität» 50,03 Prozent der Stimmen. Mehrere Beobachter hatten erwartet, dass sie zwar wieder zur stärksten Partei würde. Doch die absolute Mehrheit hat ihr kaum jemand zugetraut. Jetzt ist sie nicht auf eine Koalition mit einer der zahlreichen moldawischen Kleinstparteien angewiesen.

Igor Dodon, der Vorsitzende des pro-russischen «Patriotischen Blocks» kam auf 24,26 Prozent der Stimmen. Dodon war einst Präsident der Moldau, wurde aber 2019 vom Parlament gestürzt. Dodon, ein heute verbissener, verhärmter Politiker, soll – so behaupten pro-europäische Kreise – mit viel Geld aus Moskau die Kampagne gegen Maia Sandu koordiniert und unterstützt haben. Für ihn bedeuten die gut 24 Prozent vielleicht das Ende seiner langen, zwielichtigen Politkarriere.

Igor Dodon
Igor Dodon (Keystone/EPA/Dumiutru Doru)

Die pro-russische Opposition hatte im Wahlkampf vor allem die wirtschaftliche Karte gezogen. Moldawien ist (nach der Ukraine und dem Kosovo) das drittärmste Land in Europa. Das moldawische BIP ist 17 Mal kleiner als jenes der Schweiz. Viele Menschen leben in grosser Armut, vielen fehlt es an allem. Über eine Million Moldawier und Moldawierinnen leben aus wirtschaftlicher Not im Ausland. 

Die pro-russische Opposition macht die Regierung für die Misere verantwortlich. «Der Westen hilft euch nicht», hiess es im Wahlkampf, «Russland würde euch helfen». Um Druck auszuüben, hat Russland Gas- und Öllieferungen nach Moldawien gedrosselt oder ganz eingestellt. Im Gegensatz dazu liefert Moskau Gas und Öl in die abtrünnige pro-russische moldawische «Republik Transnistrien» – ein schmaler Landstreifen, der sich kurz nach der Unabhängigkeit Moldawiens im Jahr 1991 vom Mutterland abtrennte und in russische Arme warf.

Inflation, Flüchtlinge

Die Energiekrise hat in der Moldau zu stark steigenden Preisen geführt. Die Inflation ist auf über 30 Prozent geklettert. Dazu kommt, dass Moldawien wegen des Ukrainekrieges unter einer riesigen Flüchtlingslast leidet. Kein Land weltweit hat pro Einwohner so viele Ukraine-Flüchtlinge aufgenommen wie Moldawien: 140’000 bei 2,4 Millionen Einwohnern.

Trotz alledem ist es den pro-russischen Kreisen nicht gelungen, die Menschen zu überzeugen, dass eine Anlehnung an Russland ihnen wirtschaftliche Vorteile bringen würde. Maia Sandus Partei hat im Vergleich zu den Wahlen vor vier Jahren nicht einmal drei Prozent an Stimmen verloren – das ist in Anbetracht der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der aggressiven russischen Einmischung sehr wenig.

Schöne Worte reichen nicht

Doch das fragile Moldawien braucht jetzt dringend Hilfe. Das weiss man auch in Brüssel. Ziel ist es, Moldawien bis in fünf Jahren, bis 2030, in die EU zu führen. Dazu muss das Land allerdings noch schmerzhafte politische und wirtschaftliche Reformen durchführen. Da die an der Harvard Universität ausgebildete Maia Sandu jetzt allein, ohne Koalitionspartner regieren kann, dürfte ihr dies weniger schwer fallen. Dennoch, ein steiniger Weg liegt vor ihr. Sie weiss, wenn es ihrem Volk wirtschaftlich nicht bald besser geht, ist vieles möglich, sogar Aufstände in der Bevölkerung, von denen Russland profitieren könnte.

Im August hatten die Staats- und Regierungschef aus Frankreich, Polen und Deutschland Moldawien einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Doch schöne Worte und das Bekunden von Solidarität reicht nicht. Um die kaum vorankommende Wirtschaft anzukurbeln, hat die EU Moldawien einen Kredit von fast zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Damit sollen fürs erste Strassen, Spitäler und Internetverbindungen aufgebaut werden. So hofft man auch Investoren ins Land zu holen. 

Orbán legt sich quer 

Fünf Jahre bis zu einer EU-Mitgliedschaft sind eine lange Zeit. Zudem stehen mehrere westeuropäische Staaten einer zusätzlichen Erweiterung der EU skeptisch gegenüber. Aber vielleicht dringt dann doch die Ansicht durch, dass es bei einer Aufnahme Moldawiens nicht nur um wirtschaftliche Gründe geht. Ein EU-Land Moldawien wäre eine dringende geopolitische Notwendigkeit, um die Stabilität Europas zu sichern und den alten Kontinent vor Putin zu schützen.

Doch die Beitrittsverhandlungen laufen nicht wie geplant. Vor allem der Putin-freundliche ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán legt sich quer und torpediert zur Zeit substantielle Verhandlungen zwischen Brüssel und der moldawischen Hauptstadt Chișinău. Da bei solch substantiellen Fragen in der EU Einstimmigkeit gefordert wird, läuft zur Zeit fast gar nichts.

Russland gibt nicht auf

Fast alle in Chișinău sind sich bewusst: Der russische Druck wird nicht nachlassen. Putin wird die Schlappe von diesem Sonntag nicht auf sich sitzen lassen. Er wird weiterhin versuchen, die Bevölkerung zu ködern, zu verunsichern und zu manipulieren. Die Regierung Sandu hatte während des Wahlkampfs erklärt, Russland habe hundert Millionen Euro investiert, um die Wahlen zu beeinflussen. Auch in Zukunft wird wohl viel Geld fliessen, um das Land zu destabilisieren. 

Und was geschähe, wenn es Russland gelänge, die ganze Ukraine zu erobern? Dann wäre Moldawien, als «Anhängsel», in grösster Gefahr. Eine militärische Eroberung des kleinen Armenhauses wäre für Russland kein Problem. Moldawien ist nicht die Ukraine. Die moldawische Armee zählt nur 5'000 Wehrpflichtige. Dazu kommen einige zehntausend Reservisten, von denen viele noch nie eine Waffe gesehen haben. Russland hat in Transnistrien Tausende Soldaten stationiert und riesige Mengen Kriegsmaterial gelagert. Ein Überfall auf das Mutterland Moldawien wäre wohl in wenigen Stunden am Ziel.

Ähnliche Artikel

Kippt die Moldau ins russische Lager?

Heiner Hug 28. September 2025

Letzte Artikel

Der Papst und der Patriarch von Istanbul in Nizäa – Nur der Kaiser fehlte

Erwin Koller 4. Dezember 2025

EU berechenbarer als USA

Martin Gollmer 4. Dezember 2025

Dröhnendes Schweigen um Venezuela

Erich Gysling 1. Dezember 2025

Spiegel der Gesellschaft im Wandel

Werner Seitz 1. Dezember 2025

Bücher zu Weihnachten

1. Dezember 2025

Nichts Dringlicheres als die Rente?

Stephan Wehowsky 1. Dezember 2025

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Zurück zur Startseite
Journal 21 Logo

Journal 21
Journalistischer Mehrwert

  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Newsletter
To top

© Journal21, 2021. Alle Rechte vorbehalten. Erstellt mit PRIMER - powered by Drupal.