Der Goldexport von der Schweiz nach Amerika soll eine bedeutende Rolle spielen für Trumps Entscheid, die Importe aus unserem Land mit exorbitanten Zöllen zu belegen. Warum das so ist, scheint widersprüchlich, denn Gold soll laut dem «Economist» Trumps Lieblingsmetall sein. Klar bestätigt hingegen wird durch diese Geschichte eine vielzitierte Weisheit aus Goethes Faust.
Bisher war den meisten Schweizern wohl kaum bewusst, dass unser Land zu den führenden Gold-Exporteuren nach den USA zählt. Erst die Aufregung um Trumps Zollhammer von 39 Prozent, den er gegen die schweizerische Exportwirtschaft niedersausen liess, hat eine breitere Öffentlichkeit darüber aufgeklärt, dass von dem rund 40 Milliarden hohen Überschuss, den Trump im bilateralen Handelsaustausch den Eidgenossen als Sündenfall vorrechnet, ein gewichtiger Betrag auf den Goldexport nach USA entfällt.
Trumps «Lieblingsmetall»
Warum dieser Goldexport überhaupt auf dieser helvetischen Schiene abläuft, obwohl in der Schweiz ja bekanntermassen kein Gold geschürft wird, ist eine komplizierte Story. Daher zum vereinfachten Verständnis nur so viel: In der Schweiz werden laut NZZ etwa 30 bis 40 Prozent des Goldes, das weltweit produziert wird, verarbeitet, das heisst gereinigt und in Barren geschmolzen. Dies geschieht in vier spezialisierten Raffinerien, von denen sich drei im Kanton Tessin und eine in Neuenburg befinden.
Ein erheblicher Teil des Goldes, das in die Schweiz fliesst, um hier raffiniert zu werden, wird in die USA exportiert, wo ein bedeutender Goldhandel für Banken und Investoren stattfindet. Nach Trumps Wahl zum Präsidenten im vergangenen Jahr ist dieser Goldexport nach den USA mächtig auf einen Wert von 11 Milliarden Dollar angeschwollen. Der Grund: Die Goldhändler befürchteten, dass Trump auf diese Goldbarren-Importe hohe Zölle draufschlagen könnte und erhöhten deshalb noch vor dessen Amtsantritt massiv ihre Importe des kostbaren Metalls.
Aber es kam anders, als die Goldhändler kalkulierten. Offenbar wussten sie nicht, was der britische «Economist» diese Woche verrät: Gold sei Trumps «Lieblingsmetall». Ob das der Grund ist, weshalb der Chef im Weissen Haus auf Zollzuschläge verzichtet, scheint allerdings niemand genau zu wissen. Das Gleiche gilt im Grunde auch für die Frage, weshalb Trump ausgerechnet die kleine Schweiz, die traditionell gute Beziehungen zu den USA unterhält und die der Präsident erst kürzlich noch als «Schwesterrepublik» bezeichnet haben soll, mit einem derart schmerzhaften allgemeinen Zolltarif von 39 Prozent belasten will – auch wenn dieser vorläufig nicht für die Pharma- und die helvetischen Goldexporte gilt. Der in Wirtschaftsfragen meist gut informierte «Economist» vermutet, dass Trump wegen des Gold-Exports in die USA einfach davon ausgehe, dass ein Land, das so bedeutende Mengen seines «Lieblingsmetalls» verkaufe, reich genug sei, um wesentlich höhere Zölle als seine europäischen Nachbarn leicht zu verkraften.
Gretchens Goldfund und die Armen
Doch was immer tatsächlich hinter diesem Zoll-Kalkül des Präsidenten stecken mag, restlos und eindeutig wird das wohl nie zu klären sein – ebenso wenig wie bei vielen anderen von Trumps sprunghaften Entscheidungen, die er gerne kurzfristig wieder fallen lässt oder in ganz andere Richtungen dirigiert.
Wenn es aber stimmt, dass Trumps Hammerzoll gegen die Schweiz zumindest im psychologischen Sinne vom bedeutenden Goldfluss aus helvetischen Raffinerien in den US-Markt beeinflusst ist, so wäre damit bei allen ungelösten Rätseln zumindest eine zeitlose Wahrheit bekräftigt: Gretchens vielzitierter Ausruf nämlich in Goethes Faust, als sie in ihrem Zimmer nach dem Besuch ihres Liebhabers den Fund eines Kästchens mit Goldschmuck wie folgt kommentiert:
«Am Golde hängt,
Zum Golde drängt
Doch alles. Ach wir Armen!»
Fragt sich nur, wem im speziellen Stück Trump und das Schweizer Gold die Rolle der Armen zufällt. Sind das die mit hohen Zolltarifen gebeutelten Eidgenossen oder doch eher die US-Bürger, die mit einem Präsidenten leben müssen, der eine irrlichternde Zollpolitik praktiziert, aus der niemand wirklich klug wird und von der niemand wissen kann, in welche Zukunft sie führen wird. Das Stück ist jedenfalls noch nicht zu Ende. Fortsetzung folgt.