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Griechenland

Tourismus muss nicht zerstörerisch sein

25. Oktober 2024
Daniel Funk
Daniel Funk
Skyros

Die Auswirkungen des Tourismus und die Fehlanreize der EU-Subventionen haben viele griechische Inseln in die Sackgasse geführt. Aber es ginge auch anders. Das Beispiel Skyros macht es vor. Hier existiert touristische Entwicklung neben lokaler Kultur und traditioneller Wirtschaft.

In den letzten Jahrzehnten hat sich auf den ägäischen Inseln ein grundlegender Wandel vollzogen: Von autarken Gemeinschaften, die sich grösstenteils selbst versorgen konnten, hin zu einer fast vollständigen Abhängigkeit von externen Ressourcen und dem Tourismus. Was hat diesen dramatischen Wandel verursacht? Die Antwort liegt im Tourismus, in modernen arbeitsteiligen Wirtschaftssystemen und in den Fehlanreizen der EU-Subventionen, die in vielen Regionen das Gleichgewicht zwischen Tradition und Moderne gestört haben. In den letzten Jahrzehnten ist die landwirtschaftliche Selbstversorgung, die über Jahrhunderte den Inselbewohnern das Überleben sicherte, beinahe vollständig zum Erliegen gekommen.

Vom klugen Bewirtschaftungssystem zur touristischen Monokultur

Vor nicht allzu langer Zeit waren die ägäischen Inseln fast vollständig autark. Die Bewohner betrieben Ackerbau, Viehzucht und lebten in enger Verbindung mit ihrer Umwelt. Die Lebensweise war geprägt von einem klugen Bewirtschaftungssystem, das den natürlichen Ressourcen Respekt entgegenbrachte. Dieses System beruhte auf empirischem Wissen, über Generationen verfeinert, und wäre heute ein Vorzeigebeispiel für ökologische Nachhaltigkeit. Doch die wirtschaftlichen Anreize, die mit der Entwicklung des Massentourismus einhergingen, haben diese Lebensweise nahezu ausgelöscht.

Im Laufe der Jahre wurde der Tourismus zur dominierenden Einnahmequelle, was gravierende Konsequenzen für die lokale Landwirtschaft und Umwelt hatte. Wo früher landwirtschaftliche Betriebe blühten, stehen heute Hotels, Ferienwohnungen und touristische Infrastruktur. Der Boden, einst fruchtbar und sorgfältig bewirtschaftet, leidet unter Erosion, und der Grundwasserspiegel sinkt. Anstelle von Ackerflächen und Weideland entstanden asphaltierte Strassen und Betonbauten, die das natürliche Gleichgewicht der Inseln stören.

Ein weiteres Opfer dieses Wandels war das traditionelle System der Tierhaltung. Basierend auf dem Wissen und den Erfahrungen vergangener Generationen war die Viehwirtschaft einst perfekt auf die spezifischen Bedingungen der Inseln abgestimmt. Heute ist dieses Wissen weitgehend in Vergessenheit geraten, und mit ihm eine nachhaltige und lokale Quelle der Nahrungsmittelversorgung.

Fehlanreize durch EU-Subventionen

Neben dem Tourismus spielen auch die Subventionen der Europäischen Union eine wesentliche Rolle in diesem Wandel. Diese finanziellen Hilfen, die eigentlich zur Unterstützung der lokalen Landwirtschaft gedacht waren, haben in vielen Fällen Fehlanreize geschaffen. Statt die traditionelle Landwirtschaft zu fördern, haben die Subventionen oft dazu geführt, dass sich Bauern auf bestimmte, meist exportorientierte Produkte spezialisiert haben, was die lokale Lebensmittelproduktion weiter zurückgedrängt hat.

Viele Inselbewohner erkannten die Möglichkeit, ihre Landwirtschaft gegen touristische Einkünfte einzutauschen, unterstützt von Förderprogrammen, die eher auf kurzfristige ökonomische Gewinne als auf langfristige Nachhaltigkeit setzten. So wurden landwirtschaftliche Flächen aufgegeben, und die Abhängigkeit von importierten Lebensmitteln und touristischen Einnahmen wuchs.

Ein Beispiel für den erfolgreichen Spagat: Skyros

Trotz der negativen Entwicklung auf vielen ägäischen Inseln gibt es positive Ausnahmen. Eine davon ist die Insel Skyros, die zeigt, dass es möglich ist, den Spagat zwischen Tradition und Moderne zu meistern. Skyros ist einerseits eine touristische Insel, doch die Bewohner legen grossen Wert auf ihre Traditionen und die deren Weitergabe an die jüngeren Generationen. So findet beispielsweise jedes Jahr im Winter ein einzigartiger Karneval statt, der Besucher aus ganz Griechenland und darüber hinaus anzieht. Diese tief verwurzelte Tradition wird von den jungen Bewohnern mit Begeisterung fortgeführt und trägt zur kulturellen Identität der Insel bei.

Auch in der Landwirtschaft ist Skyros ein Vorbild. Während andere Inseln die Tierzucht zugunsten des Tourismus aufgegeben haben, bleibt sie auf Skyros ein zentraler Bestandteil des Lebens. Die Spezialität der Insel ist die Freilandhaltung von Ziegen, deren Fleisch in allen lokalen Restaurants angeboten wird. Zudem haben sich viele Familien das Ziel gesetzt, Selbstversorger zu sein und auch in Krisenzeiten auf externe Nahrungsmittelimporte praktisch ganz verzichten zu können.

Lokale Kontrolle als Erfolgsrezept

Ein weiteres Erfolgsgeheimnis von Skyros liegt in der lokalen Kontrolle der touristischen Infrastruktur. Im Gegensatz zu anderen Inseln, auf denen internationale Hotelketten dominieren, bleibt der Tourismus auf Skyros in lokaler Hand. Diese bewusste Entscheidung verhindert eine unkontrollierte Ausbreitung des Tourismus und schützt gleichzeitig die Kultur und Umwelt der Insel.

Die Verbindung zum Festland über ein genossenschaftlich betriebenes Schiff, der kleine Flughafen sowie eine stabile Zahl von Einwohnern, die auch im Winter auf der Insel leben, tragen zur nachhaltigen Entwicklung von Skyros bei. Diese starke lokale Verankerung, kombiniert mit einem verantwortungsvollen Umgang mit den Ressourcen, macht Skyros zu einem Vorbild für andere Inseln.

Die ägäischen Inseln haben in den letzten Jahrzehnten einen dramatischen Wandel durchgemacht. Vom Zustand fast vollständiger Selbstversorgung sind sie in eine Abhängigkeit von Tourismus und externen Ressourcen geraten. Die Fehlanreize der EU-Subventionen und der Massentourismus haben eine Monokultur geschaffen, die die einst nachhaltigen Bewirtschaftungssysteme verdrängt hat. Aber dieser Weg ist kein Schicksal. Wie Skyros zeigt, geht es auch anders.

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