
Die Passionszeit gilt der Erinnerung an das Leiden und Sterben des Jesus von Nazareth. Sie verbindet sich mit der Hinwendung zu menschlichem Leiden generell. Heute hiesse das, den Blick auf die grösste humanitäre Katastrophe der Gegenwart zu richten.
Nach Angaben des UNHCR sind seit dem Ausbruch des bewaffneten Konflikts im April 2023 über drei Millionen Menschen aus dem Sudan in die Nachbarländer geflohen. Allein Ägypten hat nach Angaben der Regierung mehr als die Hälfte von ihnen aufgenommen. Nun kehren die Flüchtlinge allmählich in ihr Land zurück, nachdem die sudanesische Armee Ende März 2025 die Kontrolle über die Hauptstadt Khartum von paramilitärischen Kämpfern der Rapid Support Forces (RSF) zurückerobert hat.
Doch von einem absehbaren Ende des Krieges im Sudan kann keine Rede sein. Die RSF haben zwar die Hauptstadt verloren, drängen aber die Armee in Darfur und weiteren Regionen des riesigen Landes zurück. Städte, Dörfer und Flüchtlingslager werden planmässig zerstört. Die einst lebendige Metropole Khartum ist eine Trümmerlandschaft. Über zwölf Millionen Menschen leben als Vertriebene im eigenen Land, 150’000 sollen inzwischen dem Krieg zum Opfer gefallen sein. Die Hälfte der Bevölkerung, 25 Millionen, leidet unter akutem Hunger. Eine medizinische Versorgung gibt es im Sudan praktisch nicht mehr, es breiten sich Krankheiten wie die Cholera aus. Die Bevölkerung ist der enthemmten Gewalt der Soldateska der beiden rivalisierenden Truppen ausgeliefert.
Die Uno mahnt die Staatengemeinschaft seit Langem, dieser grössten humanitären Katastrophe unserer Tage ein Ende zu setzen. An entsprechenden Bemühungen hat es durchaus nicht gefehlt. Die USA haben seit Ausbruch des Krieges im April 2023 bis zum Ende des vergangenen Jahres bei der diplomatischen Vermittlung und der Nothilfe eine führende Rolle gespielt, sich aber seit dem zweiten Amtsantritt Donald Trumps weitgehend zurückgezogen. Eine Konferenz von zwanzig Staaten, die diese Woche zwecks Koordination der Hilfe in London stattfand, hat wenig Hoffnung geweckt. Vom Finanzbedarf für die humanitäre Hilfe des laufenden Jahres sind erst 16 Prozent durch Zusagen gedeckt.
Auf ein Abflauen der Kämpfe kann man nicht hoffen. Der Sudan ist reich an Bodenschätzen. Sowohl die Armee wie die RSF alimentieren sich aus deren Verkauf. Bei der Beschaffung von Rüstungsgütern wird die Armee von Ägypten und Iran unterstützt, während die RSF bei den Arabischen Emiraten Rückhalt finden. Der erbittert geführte Krieg um die Macht im Sudan ist daher gleichzeitig auch ein Stellvertreterkrieg, bei dem es den Verbündeten um Bodenschätze und geopolitische Ambitionen geht.
Trotz des extremen Ausmasses an Gewalt und schierer Not findet das Kriegsgeschehen im Sudan vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit. Die Öffentlichkeit ist absorbiert vom Dauer-Kriegsherd Nahost und vom seit über drei Jahren mit unverminderter Heftigkeit laufenden Angriff Russlands auf die Ukraine. Da fällt es schwer, die nur scheinbar kleineren Kriege im Kongo, in Myanmar und eben im Sudan auch noch zu verfolgen. Nur ausnahmsweise kann ein Bild wie das von dem sudanesischen Mädchen, das in Kairo für die Rückkehr ins zerstörte Heimatland auf den Bus wartet, uns die sudanesische Passion für einen Moment vor Augen führen.