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Kommentar 21

Schlepperkönigin Merkel?

14. September 2015
Reinhard Meier
Reinhard Meier
Die Flüchtlingskrise alarmiert die Gemüter in Europa. Aber in den Medien dominiert besserwisserische Polemik statt respektvoller Dialog um machbare Lösungen.

Muss man, wenn Probleme besonders  vielschichtig und unübersichtlich werden,  am besten mit dem Zweihänder dreinschlagen, um für die eigene Sicht der Dinge eine Gasse zu bahnen? Wolfgang Koydl, ehemals angesehener Korrespondent der „Süddeutschen Zeitung“, heute  journalistischer Wadenbeisser im Solde der „Weltwoche“, scheint von dieser Methode überzeugt. Er befördert die deutsche Bundeskanzlerin Merkel, die zum massenhaften Zustrom von Flüchtlingen in Europa einen neuen, freundlicheren Ton angeschlagen hatte, kurzerhand zur „Schlepperkönigin“ und zur „Schleuser-Mutti“.

Natürlich darf man zur akuten Flüchtlingsproblematik und zu den Vorstellungen über deren Bewältigung dezidiert unterschiedliche Meinungen haben. Aber muss man die Vertreter anderer Standpunkte immer gleich als Vollidioten oder Wegbereiter des abendländischen Untergangs diffamieren?  Koydls Chef Roger Köppel hat in der jüngsten „Weltwoche“ mit feierlichem Pathos gemahnt, dass in der demokratischen Auseinandersetzung die Menschen nicht gleich zu Verbrechern erklärt werden dürften, „nur weil sie etwas sagen, was einem nicht passt“.  Wie aber reimt sich dieser fromme Spruch zusammen mit der Herabsetzung der Berliner Kanzlerin als „Schlepperkönigin“ und dem bösartigen Kesseltreiben gegen die Berner Bundespräsidentin Somaruga?

Polemischer Stil ist gerade in der Flüchtlingsfrage keine Spezialität nationalkonservativer Lautsprecher. In der eher linksliberalen „Süddeutschen Zeitung“ etwa hat  der bekannte Kommentator Heribert Prantl gegen die Kritiker der „deutschen Willkommenskultur“ und die in Sachen Flüchtlingsaufnahme zurückhaltenden osteuropäischen EU-Mitglieder mit einer Heftigkeit vom Leder gezogen, die wenig Respekt vor anderen Standpunkten und anderen  Erfahrungshintergründen verrät.

Kaum zweifelhaft: es gibt Ideen und Konzepte, wie man die Flüchtlingskrise besser unter Kontrolle bringen könnte. Doch um dazu tragfähige, übernationale  Konsensfindungen zu erarbeiten, sind umsichtige Diplomatie und ein hartnäckiger Dialog notwendig - nicht polarisierende Polemik.

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