Frankreichs Ex-Präsident hat 20 Tage im Gefängnis gesessen, dann erhielt er Haftverschonung. Keine 20 Tage später kündigte der zu fünf Jahren Gefängnis Verurteilte an, dass er am 12. Dezember ein Buch herausbringen wird. Titel: «Nicolas Sarkozy – Tagebuch eines Häftlings».
Man reibt sich die Augen und sagt sich : Nicolas Sarkozy, dieses ehemalige Staatsoberhaupt, das in den Klauen der Justiz gefangen ist, schämt sich tatsächlich für überhaupt nichts mehr.
«Das Gefängnis ist hart, sehr hart»
Er hat sich schon nicht geschämt, seine Verurteilung und seine Einweisung ins Gefängnis mit dem Schicksal von Oberst Dreyfus zu vergleichen oder seine Verbannung hinter Gittern mit der des Grafen von Monte Christo. Ja, er hat sich beinahe zu einer Art Nelson Mandela oder Vaclav Havel hochstilisiert und damit das System der Apartheid oder die stalinistische Führung der CSSR mit den unabhängigen Richtern der französischen Republik gleichgesetzt. Um dann, nach seiner Freilassung, den gewichtigen, historischen Satz von sich zu geben: «Das Gefängnis ist hart, sehr hart, ich würde sogar sagen aufreibend.»
Ein Satz von einer unglaublichen Platitüde. Ungefähr so, als würde ein Polarfoscher sagen, auf der Eisbank ist es verdammt kalt. Sarkozy hat gerade mal ein dreiwöchiges Praktikum in einer Haftanstalt hinter sich gebracht und wagt es tatsächlich, darüber ein Buch zu veröffentlichen, das auch noch rechtzeitig fürs Weihnachtgeschäft erscheinen wird. Denn geschäftstüchtig ist der Mann auch noch. Bravo.
Wie schrecklich !
Also: 20 Tage in einer 9-Quadratmeter-Zelle, aber alleine. Nicht etwa zu zweit oder zu dritt, mit Matratze auf dem Boden, wie es anderen in Frankreichs hoffnungslos überbelegten Gefängnissen regelmässig passieren kann, sondern ganz allein, quasi in Isolationshaft, rund um die Uhr bewacht von zwei bewaffneten Sondereinsatzkräften, die in der Zelle nebenan logierten. Natürlich war Sarkozy mit mehr Besuchsgenehmigungen gesegnet als seine Mithäftlinge. Und – so die Legende – ernährt hat er sich angeblich nur von Joghurts, weil er dem restlichen Essen nicht traute und ihm kein Vorkoster zur Verfügung stand.
All diese Erfahrungen sind nun mal von höchster Bedeutung, müssen unbedingt schriftlich festgehalten, von Ghostwritern bearbeitet und dringend publiziert werden. Diese Story, nicht etwa über 20 Jahre, sondern über 20 Tage hinter Gefängnismauern, dieses umwerfende und exklusive Ereignis darf der Öffentlichkeit natürlich nicht vorenthalten werden. Also enstehen da zurzeit tatsächlich 216 Seiten über den Gefägnisaufenthalt eines ehemaligen Staatsoberhauptes der französischen Republik. So hat es zumindest der Verlag bereits angekündigt.
Unter Freunden
Diesen Verlag zu finden war natürlich kein Problem für den Ex-Präsidenten. Das traditionelle Verlagshaus «Fayard» stand quasi Gewehr bei Fuss. Dieser einst hoch angesehene Verlag ist inzwischen in die Hände des französischen Milliardärs und Medienmoguls, Vincent Bolloré, geraten, der sich seit einigen Jahren das Ziel gesetzt hat, mit seinen Milliarden via Medien und Verlagen der extremen Rechten an die Macht zu verhelfen.
«Nicolas Sarkozy – Journal d’un prisonnier», das klingt dramatisch, so als habe da jemand sein halbes Leben im Gulag verbracht. Böse Zungen merken an, man hätte das Buch auch «Nicolas Sarkozy – Journal d’un voleur» nennen könen, doch dieser Titel sei nun mal durch Jean Genets Œuvre leider schon vergeben.
Wie dem auch sei: Obwohl der umtriebige Ex-Präsident gleich in fünf eher dunklen Finanz- und Politaffären angeklagt oder bereits verurteilt ist, mit elektronischen Fussfesseln und Gefängnis Bekanntschaft gemacht hat, verfügt er in Frankreich nach wie vor über einen beachtlichen Fan Club. Die Verkaufszahlen seiner im Grunde völlig unbedeutenden Bücher überstiegen in der Vergangenheit manchmal locker die Hunderttausender-Marke. Natürlich glaubt kaum jemand, dass Sarkozy seine Bücher selbst schreibt, doch der Rubel rollt trotzdem. Denn der mit allen Wassern gewaschene Politprofi mit den ständig zuckenden Schultern, ist einfach auch enorm geschäftstüchtig.
Von Anfang an legte Carla Brunis Ehemann in der sogenannten Libyenaffäre grössten Wert auf das perfekte Narrativ seiner natürlich «ungerechten Verurteilung» durch Richter, die «vom Hass auf ihn» getrieben seien, und seiner spektakulären, aus Sarkozys Sicht «skandalösen» Inhaftierung. Nach dem Motto: die Tränendrüse kräftig drücken und so viel Mitleid wie möglich erregen. «Denken Sie nur, ein ehemaliger Präsident und jetzt muss er sogar ins Gefängnis!»
Ein überraschend grosser Teil der französischen Medien spielte dieses Spielchen Sarkozys in den letzten Wochen auch sehr gefällig mit. Einen ehemaligen Staatspräsidenten, der Berufung eingelegt hat, hinter Gitter zu setzen und ihn wie 80 Prozent der in erster Instanz Verurteilten zu behandeln, das ging so manchem in der Medienwelt offensichtlich zu weit.
Vielleicht hat das Ganze aber sogar noch ein Nachspiel. Einer der besten Kommentatoren der schreibenden Presse schrieb jüngst in der Tageszeitung «Libération»: «Man sollte nicht vergessen, dass für Sarkozy der Berufungsprozess in der Libyenaffäre ab März 2026 ansteht. Sollte dort am Ende die Strafe von fünf Jahren Gefängnis bestätigt werden und keine Haftverschonung erfolgen, könnte für Weihnachten 2026 ja sogar Band 2 dieses unerlässlichen «Tagebuchs eines Häftlings» auf den Markt und unter den Christbaum geworfen werden.