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Satyrikon [9]

Roger Rightwing überrascht die Redaktion

22. Mai 2011
Dante Andrea Franzetti
Ödeli setzt sich in die linke Ecke des Hufeisens. Das ist noch kein vollkommenes Versteck, aber wenn die Verspäteten eintrudeln, werden sie sich vor ihn hinstellen und ihn verdecken. Eine Kreativsitzung zum Wahlkampf, das ist ein Widerspruch in sich selbst.

Pünktlich um Elf tritt Roger Rightwing ein, mit Schwung und einem breiten Lächeln. Er ist aufgekratzt, der Frühling weckt die Geister.

“Guten Tag. Wo wachsen die schönsten Blumen?”

Im Chor: “Auf dem Mist!”

“Und wo spriessen die besten Ideen?”

Im Chor: “Auch auf dem Mist!”

Roger reibt sich die Hände, und dabei entsteht ein Sprühregen aus roten Fünkchen. Er ist geladen. Auch die Augen glitzern. Ödeli scheint es heute das sadistische Glitzern zu sein.

Sehr gut, vor Ödeli steht jetzt Dreissigprozent hin, so nennen sie die lange schmale Kulturredaktorin Felicitas (halbe Seite, 30%-Pensum).

“Wer hat eine Idee zum Wahlkampf?”

“Zürich ist schlimm, Zürich ist Schlamm. Wir gehen auf die Strassenreinigung los.”

Das war dieser Streber von Frassinetti.

“Hm, nein. Ich denke, das muss einmal aufhören: immer gegen die Staatsangestellten.”

“Pfarrer Sieber und seine Subventionen. Das Spielzeug der Sozis. So etwas gäbe es unter Dark Vader nicht.”

Das war der Neue. Peterli oder ähnlich.

Roger Rightwing schaute verdutzt. “Wieso?”

“Der verlängert den Junkies das Leben. Wir sollten ausrechnen, was das die Steuerzahler kostet.”

Roger Rightwing lächelte zwar, schüttelte aber den Kopf.

“Nein, nein. Wir gehen nicht mehr auf die Entrechteten dieser Erde los. Das muss ein Ende haben.”

Ödeli duckte sich hinter Dreissigprozent. Was ist das jetzt wieder? Ein Test? Ödeli hatte Rightwings Tests fürchten gelernt.

“Aber“, protestierte Peterli, “wir könnten eine Statistik oder eine Kurve über die Zunahme der Ausgaben für Drogensüchtige…”

“Nein, Peterle, da hat er sich geschnitten. Er lässt das bleiben. Wir fälschen keine Statistiken mehr, manipulieren keine Hochrechnungen mehr, extrapolieren keine falschen Kurven mehr aus falschen Daten.”

Ödeli schob Dreissigprozent etwas zur Seite und wagte es: “Aber Chef, was wäre das für ein Wahlkampf ohne diese Hilfsmittel?”

“Wahlkampf? Wir berichten, aber wir führen doch keinen Wahlkampf. Das ist nicht unsere Aufgabe als verantwortungsvolle Zeitschrift.”

Es war nun plötzlich ganz still. Meistens sind diese Momente der Stille an den Kreativsitzungen der Erwartung über Rightwings überraschende Schlussfolgerungen geschuldet, diesmal aber war die Stille Ausdruck des Entsetzens, der Verunsicherung, der Hilflosigkeit. Ödeli zum Beispiel kam sich vor wie in einer Nussschale inmitten eines Pazifiksturms.

Roger Rightwing ging vorne hin und her.

Er ging vorne hin und her.

Und plötzlich brach er in Gelächter aus, in schallendes Gelächter.

“Erster April! Erster April!”

Womit der Mann nicht alles gute Stimmung in der Zeitschrift zu verbreiten suchte! Welche Kühnheit! Welcher Einfallsreichtum. Das dachten nach dem Ende der Sitzung viele, aber nicht alle.

“Blödes Arschloch“, hörte man Ödeli murmeln. “Heute ist der 31. März.”

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