Das ARD-«Sommerinterview» mit Alice Weidel wurde am Sonntag in Berlin von Anti-Rechts-Aktivisten gestört. Sie haben damit der AfD einen Gefallen getan: Die rechtsextreme Partei kann sich erneut die Rolle des Opfers antidemokratischer Intoleranz zuschreiben.
Das am Sonntagnachmittag aufgezeichnete und live im Internet übertragene Interview mit der AfD-Ko-Vorsitzenden Alice Weidel mit Markus Preiss wurde im Berliner Regierungsviertel an der Spree im Freien geführt. Eine Demonstration am anderen Spreeufer mit Trillerpfeifen, Hupen, lauter Musik und Anti-AfD-Slogans machte das Interview akustisch fast unverständlich. Hinter der Aktion steckt die Gruppe «Zentrum für Politische Schönheit», die sich schon mehrfach mit politischem Schwachsinn hervorgetan hat.
Alice Weidel liess sich denn auch nicht zweimal bitten und nutzte die von den Störern servierte Steilvorlage. Zum Nachrichtenportal «Politico» sagte sie nach dem Vorfall: «Es ist für die Debattenkultur in unserem Land nicht zuträglich, die Presse- und Informationsfreiheit derart anzugreifen. Dafür habe ich keinerlei Verständnis.» Jetzt wissen wir es also: Die AfD verteidigt Pressefreiheit und politische Debattenkultur.
Diese absurde Volte haben die Anti-Rechts-Aktivisten mit ihrem Störmanöver erst möglich gemacht. Offenbar waren sie der Meinung, durch die Verhinderung eines Fernsehinterviews mit der AfD-Chefin diese Partei bekämpfen und das Land vor einem Überhandnehmen des Rechtsextremismus bewahren zu können. Doch der Schuss ist nach hinten losgegangen.
Demokratischer Umgang mit der AfD ist schwierig, es gibt dafür kein allgemeines Rezept. Denn niemand sollte sich darin täuschen, dass der harte Kern dieser Partei nur formell demokratisch ist; in Tat und Wahrheit will er den demokratischen Pluralismus zerstören. Auch ist die AfD mit ihrer innigen Nähe zu Autokraten und Präsidenten, die solche werden wollen, eine schwere europa- und aussenpolitische Last.
Die Herausforderung besteht darin, die demokratisch gewählte AfD bei ihrem verfassungsmässigen Auftrag zu behaften und gleichzeitig keine Unklarheit über deren verfassungsfeindlichen Kern zuzulassen. Das sicherheitspolitische Risiko eines Zugriffs der Rechtsextremisten auf geheime Informationen darf Deutschland nicht eingehen. Das ist in Österreich mit der FPÖ schon einmal schiefgegangen.
Was hilft da der Lärm an der Spree? Weder Trillerpfeifen noch Parolen ersetzen die schwierige demokratische Auseinandersetzung mit Demokratieverächtern. Gesinnungsäusserungen wie «Omas gegen Rechts», Pussyhat-Prozessionen und Antifa-Banner in Fussballstadien mögen ehrenwerte Beweggründe haben. Im besseren Fall tragen sie dazu bei, den Rechten die so sehr angestrebte Normalisierung ihres politischen Tuns zu erschweren – im schlechteren: siehe Weidels zitiertes Statement bei «Politico».
Einfach nur «gegen Rechts» zu sein, reicht nicht. Es kommt darauf an, deutlich zu machen, gegen welche rechten Parolen, Vorstösse und Ideen man ist und mit welchen Argumenten. Um diese Diskussion führen zu können, muss man der Ko-Chefin der AfD genau zuhören, unter anderem, wenn sie sich im Interview den Fragen eines so versierten Journalisten wie Markus Preiss zu stellen hat.