
Ist «Mission: Impossible – The Final Reckoning» die letzte Folge der «Mission: Impossible»-Franchise? Vielleicht nicht: Auch die achte Variation der amerikanischen Actionreihe, wie die Vorgänger von Tom Cruise gespielt und produziert, vermeidet die Apokalypse und hält die Figuren warm für eine eventuelle Koda.
Dennoch scheint das Ende der Serie unvermeidbar, und sei’s nur, weil Cruise, der dieses Jahr 63 wird, die physischen Voraussetzungen für die Rolle irgendwann nicht mehr erfüllen kann. Hier liegt vielleicht auch die leise Emotion begründet, die selbst in den krachenden Momenten der Inszenierung durchschimmert: Der Hollywood-Star, der sich vor dreissig Jahren die Rechte einer Fernsehserie der Sechziger-Jahre gesichert hatte, gilt heute, im Streaming-Zeitalter, als einer der solidesten Apologeten der Kinosäle.
Das Duell der Doppeldecker
Natürlich, auch Harrison Ford gelang es, die Rolle des Spielberg’schen Archäologen bis ins hohe Alter zu verkörpern, selbst das James-Bond-Label war in der Lage, sich über die Jahrzehnte, und allen gesellschaftlichen Evolutionen zum Trotz, immer wieder neu zu lancieren. In dieser «letzten» Konfrontation mit der künstlichen Intelligenz, die dem Plot von «The Final Reckoning» seine Grundlage verleiht, scheint allerdings auch der Verlust des menschlichen Zugriffs auf die Macht vorweggenommen. Selten jedenfalls liess sich der Pitch eines Thrillers so leicht resümieren: Die «Entität», wie die KI, hier in Gestalt eines bläulichen Plasmas auftretend, genannt wird, droht, die Kontrolle über das globale Arsenal der Nuklearwaffen zu übernehmen (warum, bleibt unklar) und die Welt in einer atomaren Katastrophe untergehen zu lassen.
Um dieser vorprogrammierten Zukunft zu entkommen, muss der Agent Ethan Hunt in den Quellcode der «Entität» eindringen, was wiederum bedingt, dass er sich zunächst Zugang zu einem im Beringmeer gesunkenen Sowjet-U-Boot verschafft und sich anschliessend aus der Eisdecke befreien kann. Später, als ihm der KI-Jünger Gabriel (Esai Morales) in die Quere kommt, muss er ein Doppeldecker-Duell über den Hügeln Afrikas für sich entscheiden. In diesen Stunts, in denen sich die Anziehungskraft und die Schwerelosigkeit förmlich die Waage halten, wird auch deutlich, weshalb Cruise stets darauf bestand, sich nie von einem Double ersetzen zu lassen: Selbst in den akrobatischen Momenten gelingt es ihm, der Figur eine persönliche Färbung und der Sequenz eine Kontinuität zu verleihen.
Hang zur Transzendenz
Wenn man sich an die früheren Folgen erinnert, in denen Hunt die Welt vornehmlich horizontal bereist hat, kann man die Vertikale, die der Film zwischen den Unterwasserszenen und dem finalen Luftkampf skizziert, als ein Motiv der Auferstehung ansehen, zumal die religiösen Anspielungen – vom kreuzförmigen Schlüssel, der die «Entität» zu entwaffnen hilft, bis zur sakrifiziellen Pose Hunts, als er sich in die Schusslinie seiner Widersacher stellt – von der Regieführung durch die gesamte Handlung gezogen werden. Auffallend ist dieser Hang zur Transzendenz umso mehr, als die Gesichtsmasken und die visuellen Täuschungsmanöver, die die Figuren jeweils einer Metamorphose unterzogen und der Franchise einst als rekurrierendes Stilmittel dienten, in dieser neuesten Folge überraschend abwesend sind.
Die grosszügige visuelle Rekapitulation von Szenenausschnitten aus den vorhergehenden «Mission: Impossible»-Produktionen, die gleich zu Beginn clipartig in die Einführung einfliessen, mögen das ihre zur emotionalen Dämmerstimmung beitragen. Der Vergleich, zu dem hierbei eingeladen wird, fällt allerdings nicht zu Ungunsten von «The Final Reckoning» aus. Sicher: Die Goldenen Zeiten, als Hollywood ein A-Projekt noch einem Stilisten wie Brian De Palma antragen konnte, sind wohl vorbei.
Üppige Ausstattung
Christopher McQuarrie, der sich einst als Drehbuchautor von «Usual Suspects» einen Namen gemacht hatte, braucht jedoch nicht zu erröten. Seine Regieführung ist souverän genug, um einen auch die absurdesten Dialoge schlucken zu lassen. In den Szenen mit Ethan Hunts Backup-Team – Luther (Ving Rhames, Benji (Simon Pegg), Grace (Hayley Atwell) und die eiskalte (und frankophone) Killerin Paris (Pom Klementieff) – vermischt sich die Coolness mit einer Kumpelhaftigkeit, die angesichts der mittlerweile dreissigjährigen Laufzeit der Serie adäquat erscheint. Die Nebenrollen (etwa Angela Bassett als «Mrs President») sind kraftvoll gezeichnet.
Auch mit der Ausstattung wird nicht gespart: Die Machtzentrale der amerikanischen Nuklearstreitkräfte ist dimensioniert wie ein Hangar von Amazon, in seinem Kampf gegen das Böse verlangt (und erhält) Hunt Zugang zum Flugzeugträger USS George H. W. Bush – was angesichts der heutigen politischen Lage nicht der Ironie entbehrt. Die Radaranlagen auf einer unwirtlichen Insel der Aleuten leuchten nachts warm wie sommerliche Lichtgirlanden.
In filmhistorischer Sicht zählen die «Mission: Impossible»-Produktionen vermutlich nicht zu den besten Filmen von Tom Cruise; seine Filmographie enthält auch Inszenierungen von Stanley Kubrick («Eyes Wide Shot», 1999) und Steven Spielberg («A.I. Artificial Intelligence», 2001). Dennoch sollte man seine Rolle und sein Acting nicht unterschätzen: Figur und Darstellung sind relevant, und sei’s nur, weil Ethan Hunt den vielleicht letzten globalen Actionhelden des amerikanischen Kinos verkörpert. In Michael Manns «Collateral» (2004) spielte Cruise einen Killer, dessen Figur aufgrund seiner mechanischen Bewegungen an eine Maschine erinnerte. In «The Final Reckoning» trägt er in seinem verzweifelten Kampf gegen den Weltuntergang paradoxerweise vor allem seine Verletzlichkeit zur Schau. Er opfert seinen Körper förmlich, auch in dieser Hinsicht ist die christliche Anspielung nicht zu übersehen.