
Eine sechsspurige Autobahn teilte seit 1980 das Zürcher Quartier Schwamendingen. Nun ist die Wunde genäht worden; allerdings bleibt die Narbe auffällig. Die Strasse wurde auf einer Länge von einem Kilometer ummantelt und mit einem Park überdacht.
Nach dem Zweiten Weltkrieg war die totale Mobilität angesagt, der man alles opferte. Kaum jemand dachte an die negativen Folgen für Bewohnerinnen und Bewohner, die an den Durchgangsachsen lebten. Sie mussten Lärm und Verschmutzung ertragen, abgesehen davon, dass solche Schneisen Wohnquartiere voneinander trennten.
Der 1980 eröffnete Autobahnzubringer in Schwamendingen ist ein besonders krasses Beispiel dafür, dass der Mobilität alles untergeordnet wurde. Zwanzig Jahre später war im Grunde allen klar, dass dieser Zustand – man zählte täglich bis zu 120’000 Fahrzeuge – für das Leben im Quartier unhaltbar war. Man prüfte verschiedene Varianten von baulichen Eingriffen, die sich jedoch als untauglich erwiesen. So wäre der Lärm mit einer Metall-Glas-Konstruktion in der Tat vermindert worden, doch die Verbindung zwischen den südlichen und nördlichen Wohnarealen wäre nach wie vor nicht gewährleistet worden.
Dank dem konstanten Druck seitens der Bevölkerung wurden 2003 verschiedene Teams eingeladen, Vorschläge auszuarbeiten. Nach einer zweiten Planungsrunde entschied man sich für das Projekt von AGPS Architecture, das buchstäblich eine grüne Wiese über der nicht mehr sichtbaren Strasse vorsah. Der Einbezug der Landschaftsarchitekten Krebs und Herde im Jahre 2007 hatte zur Folge, dass nun eine differenzierte Parkanlage designt wurde, die schliesslich zusammen mit allen anderen Massnahmen 2019 bis 2025 realisiert werden konnte.
Rückbau und Rückeroberung
Die Verlegung der Strasse in ein Betongehäuse war von Anfang an nur ein Teilaspekt des Gesamtentwurfs. Die Gestaltung der so genannten «Einhausung» – ein für diesen Entwurf eigens geprägter Begriff – umfasste die Wegführungen, die Anbindungen an die Wohneinheiten, die Signaletik, die Möblierung des Parks, einen Pavillon mit Cafeteria und nicht zuletzt das Bepflanzungskonzept. Adi Kälin verweist in seinem Essay in der Begleitpublikation auf die 1982 verfasste Kurzgeschichte «Rückeroberung» von Franz Hohler, in der Zürich von den Wildtieren neu besiedelt wird. In der Tat ist die «Einhausung» so etwas wie ein Versuch eines Rückbaus, auch wenn dem Autoverkehr nichts weggenommen wurde.
Zweifelsohne stand die 2014 abgeschlossene Umwandlung einer stillgelegten Hochbahn in New York City zur Flaniermeile «High Line» dem Zürcher Projekt Pate. Eine Publikation zu diesem neuen Wahrzeichen von Manhattan listet alle Pflanzen auf, die in die verschiedenen Beete eingesetzt wurden. Ähnlich ambitiös wollten auch in Zürich die Landschaftsarchitekten mit dem Bepflanzungsplan die Biodiversität fördern, zusammen mit Trockenmauern, Nisthilfen, Steinhaufen, Totholz und Sandhaufen. Allerdings, so sehr eine solche Initiative zu begrüssen ist, so bleibt sie Stückwerk, wenn auf der anderen Seite die Sterilität der Grünflächen in Wohngebieten Standard bleibt. Es ist ja schon leicht zwiespältig, wenn Bewohner und Bewohnerinnen mehr Natur wünschen, vor der eigenen Haustür aber lediglich einen unkrautfreien Rasen mit Millimeterschnitt und zu Tode gepflegte Hecken tolerieren.
Bewährungsprobe steht noch aus
Inmitten des Strassengewirrs bei der Busstation Aubrücke führt eine lange Rampe hinauf zum neuen Hochpark, wo der penetrante, durch die Autobahnkreuze von Zürich-Nord verursachte Verkehrslärm tatsächlich kaum mehr zu hören ist. Der Spaziergang auf den bekiesten Wegen, umrahmt von Blumenwiesen, ist abwechslungsreich. Bänke laden zum Verweilen ein, ein Spielplatz zieht Kinder an, der Pavillon mit einem langen Brunnen könnte fast schon als Dorfplatz durchgehen.
Erst der Blick über die Brüstungen macht einem bewusst, dass man sich auf einer Terrasse befindet, die bis zu acht Meter hoch ist. Dementsprechend aufwändig konstruiert sind die zahlreichen Rampen und Treppen, welche erst die Vernetzung der Quartierteile garantieren. Und noch etwas fällt auf: Die ehemals nahe an der Strasse errichteten Wohnzeilen sind nun vor Lärm geschützt, tauschen diesen Vorteil allerdings ein mit dem Blick auf eine nahe Wand, die, wenn auch begrünt, ein Gefühl von Enge aufkeimen lässt. Wird man aber der unzähligen Baugespanne insbesondere gegen den Zürichberg gewahr, so muss man davon ausgehen, dass hier das Quartier gründlich umgepflügt wird. Wie sich dann die «Einhausung» bewährt, muss nach der Realisierung sämtlicher Bauprojekte beurteilt werden.
Das im Verlag Park Books erschienene Handbuch dokumentiert das Projekt, welches als Modell für andere Städte dienen könnte. In der Tat hat die Einhausung in Schwamendingen das Potenzial, Stadtplanern einen Weg zu weisen, wie man an anderen Orten mit einer ähnlichen Ausgangslage belastete Quartiere lebenswerter machen könnte.
Einhausung & Hochpark. Gestaltung der Autobahneindeckung und des Überlandparks in Zürich-Schwamendingen. Park Books, Zürich 2025
Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Park Books