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Zwei Deals im Vergleich

EU berechenbarer als USA

4. Dezember 2025
Martin Gollmer
Martin Gollmer
Parmelin, EU-Beauftragte
Zusammenarbeit beim EU-Forschungsprogramm Horizon. Die EU-Kommissarin Ekaterina Sachariewa und Bundesrat Parmelin unterzeichnen am 10. November ein entsprechendes Abkommen. Vor dem Abschluss der Bilateralen III war die Beteiligung der Schweiz zeitweise sistiert.

Im Umgang mit den USA erfährt die Schweiz gerade, was es bedeutet, wenn der Grosse gegenüber dem Kleinen seine Macht ausspielt und Willkür walten lässt. Auch die grosse EU hat die kleine Schweiz in der Vergangenheit schon mit sogenannten Nadelstichen drangsaliert. Die Bilateralen III setzen solchen Machenschaften Brüssels in Zukunft aber enge Grenzen.

Wenn das keine willkürlichen Ausgleichsmassnahmen sind: Weil die USA im Güterhandel mit der Schweiz ein Defizit von knapp 40 Milliarden Dollar hinnehmen müssen (Stand 2024), hat Präsident Donald Trump hohe Zölle auf Warenimporte aus Helvetien verhängt. Anfang April gab er aufgrund einer nicht nachvollziehbaren Berechnungsformel einen Zollsatz von 31 Prozent bekannt. Daraufhin setzten hektische Verhandlungen ein, in deren Verlauf die Schweiz versuchte, den Zollsatz auf ein erträgliches Mass zu senken. Doch statt einer Einigung kam Anfang August der Hammer: Nach einem missglückten Telefonat von Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter erhöhte Trump den Zollsatz gar auf 39 Prozent. 

Helvetische Geschenke und Konzessionen

Es brauchte danach die Vorsprache von Schweizer Unternehmensführern bei Trump und teure Geschenke, um die verfahrene Situation zu deblockieren. Mitte November einigten sich die beiden Parteien dann auf einen Zollsatz von 15 Prozent. In Kraft treten soll er in der ersten Dezemberhälfte.

Die Senkung des Zollsatzes war für die Schweiz nicht gratis zu haben. Gemäss einer gemeinsamen Absichtserklärung sollen hiesige Unternehmen in den nächsten fünf Jahren 200 Milliarden Dollar in den USA investieren. Das soll helfen, Schweizer Produkte in Zukunft vermehrt in den USA herzustellen statt zu importieren. Das liesse, so die Idee, das Güterhandelsdefizit schrumpfen. Zudem versprach die Schweiz, die Einfuhrzölle auf gewissen amerikanischen Agrarprodukten wie etwa Fisch, Meeresfrüchten, Zitrusfrüchten oder Nüssen zu senken. Weiter sicherte die Schweiz den USA zollfreie bilaterale Importkontingente zu für 500 Tonnen Rindfleisch pro Jahr, 1000 Tonnen Bisonfleisch und 1500 Tonnen Geflügelfleisch.

Schweiz bleibt den USA ausgeliefert

Noch nicht versprochen hat die Schweiz die erleichterte Zulassung von amerikanischen Produkten aus dem Agrarbereich und einigen anderen Sektoren. Darüber soll aber bei der Umsetzung der unverbindlichen Absichtserklärung in ein verbindliches Abkommen gesprochen werden. Den USA sind nämlich auch gewisse Produktvorschriften der Schweiz ein Dorn im Auge. Sie betrachten sie als nichttarifäre Handelshemmnisse, die den Handel mit der Schweiz beschränken. Dieser Passus in der gemeinsamen Absichtserklärung hat in der Schweiz die Angst aufkommen lassen, dass in Zukunft sogenannte Chlorhühner, Hormonfleisch oder übergrosse Autos wie Teslas Cybertruck aus den USA eingeführt werden könnten. 

Die SVP jubelt

Weiter haben die USA Verhandlungsbedarf angemeldet in Sachen Besteuerung von Technologiekonzernen sowie im Bereich von Sanktionen, Export- und Investitionskontrollen. All diese Passagen in der gemeinsamen Absichtserklärung machen die Schweiz weiterhin erpressbar. Sollte sie nicht auf die US-Forderungen eingehen, könnte der launische Trump jederzeit den Zollsatz wieder erhöhen.

Trotzdem jubelte die Trump-affine SVP in auffälligem Gegensatz zu vielen anderen Parteien über den Deal mit den USA. «Diese Einigung sichert Arbeitsplätze in der Schweiz und sorgt für viel bessere Rahmenbedingungen für die Schweizer Exportwirtschaft», schrieb sie in einer Medienmitteilung. Die SVP übersah dabei geflissentlich, dass der nun vereinbarte neue Zollsatz von 15 Prozent immer noch deutlich höher ist als die drei Prozent, mit denen Importe aus der Schweiz belastet wurden, bevor Trump im Frühjahr den Zollhammer niedersausen liess.

Welcher Deal ist ein Unterwerfungsvertrag?

Gleichzeitig holte die SVP in der gleichen Medienmitteilung einmal mehr gegen die Bilateralen III aus: «Der Deal mit den USA zeigt ebenfalls: Der geplante EU-Unterwerfungsvertrag ist keine Lösung. Im Gegenteil. Damit würde die Schweiz ihre Handlungsfähigkeit verlieren. Die Schweiz würde sich einseitig an die EU anbinden. Die Schweiz müsste die ganze EU-Regulierungsflut übernehmen und sich dem EU-Gerichtshof unterstellen. Bis in alle Ewigkeit.» Die Frage sei erlaubt: Ist denn der Deal mit den USA etwas anderes als ein Unterwerfungsvertrag unter das Diktat von Präsident Donald Trump?

Nun: Auch die EU hat in der Vergangenheit ihre Macht gegenüber der Schweiz ausgespielt und sie mit sogenannten Nadelstichen gepiesackt. Dies, nachdem der Bundesrat im Mai 2021 Verhandlungen über ein institutionelles Rahmenabkommen zu den bilateralen Verträgen platzen liess. Erinnert sei etwa an den Ausschluss von Schweizer Forschern aus dem EU-Rahmenforschungsprogramm «Horizon Europe», dem weltgrössten Forschungsförderungsprogramm dieser Art. 

Auch widersetzte sich die EU einer Aktualisierung der bilateralen Verträge im Bereich der Medizinprodukte mit der Folge, dass Schweizer Unternehmen in diesem Bereich den hindernisfreien Zugang zum EU-Binnenmarkt verloren. Weiter verweigerte die EU der Schweiz die Anerkennung der Börsenäquivalenz, was den Handel von Aktien von hiesigen Unternehmen an EU-Börsen und -Handelsplätzen einschränkte.

Bilaterale III schützen die Schweiz vor der EU

In dem neuen dritten bilateralen Vertragspaket, dass die Schweiz und die EU inzwischen – auf Augenhöhe – ausgehandelt haben, sind solchen Machenschaften Brüssels nun enge Grenzen gesetzt. Zwar sind noch immer Ausgleichsmassnahmen möglich, wenn die Schweiz nicht wie bei vier bestehenden und zwei neuen bilateralen (Binnenmarkt-)Abkommen vereinbart dynamisch EU-Recht übernimmt. Diese Ausgleichsmassnahmen sollen der EU die Wiederherstellung des Gleichgewichts von Rechten und Pflichten unter den Vertragsparteien erlauben. Sie sind daher keinesfalls «Strafmassnahmen», wie das die SVP und andere Gegner der Bilateralen III behaupten.

Diese Ausgleichsmassnahmen kann die EU nur im betroffenen Abkommen oder in einem anderen Binnenmarktabkommen treffen. Verweigert die Schweiz beispielsweise im Bereich der Personenfreizügigkeit die Übernahme eines EU-Rechtsakts, darf die EU Ausgleichsmassnahmen nicht im Bereich der Forschung treffen. Die Ausgleichsmassnahmen müssen zudem verhältnismässig sein. 

Ob das zutrifft, überprüft gegebenenfalls ein paritätisch zusammengesetztes Schiedsgericht. Die Ausgleichsmassnahmen werden damit einer gerichtlichen Kontrolle unterstellt. Das schützt die kleine Schweiz vor allfälligen willkürlichen Gegenmassnahmen der grossen EU. Einen vergleichbaren Schutz für die Schweiz gibt es im Verhältnis zu den USA nicht. Die Beziehungen der Schweiz zur EU werden damit mit den Bilateralen III berechenbarer als jene zu den USA.

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