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Völkerrecht und Kriegsdrohung

Dröhnendes Schweigen um Venezuela

1. Dezember 2025
Erich Gysling
Erich Gysling
Nicolas Maduro
Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro nimmt in der Militärakademie von Caracas einen Eid ab. (Bild vom 25. November 2025, Keystone/AP Photo, Ariana Cubillos)

Unverhüllte Absicht hinter Trumps Säbelrasseln gegen Venezuela ist ein Regime-Change. Die amerikanischen Drohungen und die Angriffe gegen angeblich Drogen transportierende Boote verletzen internationales Recht. Doch die internationale Gemeinschaft schweigt.

US-Präsident Trump lässt eine Armada mit 12’000 Soldaten, mehr als zwanzig Kriegsschiffen und dem weltweit grössten Flugzeugträger vor der Küste Venezuelas auffahren und droht täglich mit Krieg – aber in der internationalen Gemeinschaft herrscht dröhnendes Schweigen. Obwohl weltweit allen Politikern bekannt ist: Eine bewaffnete Intervention der USA im lateinamerikanischen Land wäre ein eklatanter Verstoss gegen internationales Recht.

Die US-Regierung begründet das Säbelrasseln mit ihrem Kampf gegen Drogendealer. In rund zwanzig Angriffen haben amerikanische Luftangriffe bisher zum Tod von 83 Menschen an Bord von Booten in der Karibik geführt. Angeblich waren alle Insassen der Schiffe Drogenkuriere. Mehrheitlich waren sie angeblich von einem Hafen in Venezuela unterwegs in Richtung eines Landes in der Nachbarschaft der USA. Nachgewiesen worden ist das nicht, und die USA machen sich auch nicht die Mühe, etwas zu beweisen. Sie wissen: Keine andere Regierung wird es wagen, die Führung der Vereinigten Staaten wegen einer solchen «Kleinigkeit» vor irgendeinem Gericht anzuklagen. Und auch für den Fall, dass Trump sich für militärische Einsätze auf dem Territorium Venezuelas entscheiden sollte, müssen die USA kaum politische Konsequenzen befürchten: Man hat sich international damit abgefunden, Donald Trump grenzüberschreitend freie Hand zu lassen. Ich vermute, das würde sich auch dann nicht ändern, wenn Trump seiner Ankündigung, den Panama-Kanal oder Grönland zu «übernehmen», Taten folgen lassen sollte.

Wenig Lust, sich für Maduro einzusetzen

Was Venezuela betrifft, ist die Passivität von Regierungen in Europa, aber auch in weiten Teilen Lateinamerikas allerdings nicht nur mit der bereits vollzogenen Kapitulation gegenüber den Launen Donald Trumps zu erklären, sondern auch mit den Vorbehalten gegenüber dem venezolanischen Staatschef, Nicolas Maduro. Dass er die Wiederwahl im Jahr 2024, entgegen eigener Darstellung, verloren und dass seine Entourage die Ergebnisse des Urnengangs manipuliert hat, wird allgemein als gesichert angenommen. Eine Veröffentlichung der Details des Wahlprozederes und der Wahlresultate hat das Maduro-Regime abgelehnt, und so bleibt die Vermutung, die Oppositionskandidatin Maria Corina Machado sei die wahre Siegerin gewesen und somit, eigentlich, die legitime Staatspräsidentin.

Für ihre Courage und ihren Durchhaltewillen gegen Maduro wurde Machado mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet – wobei die Frage nach ihrer politischen Haltung etwas unter den Tisch fiel. Nur wenige Medien thematisierten Machados Vorliebe für rechtsextreme Parteien und Figuren in Europa (sie hat intensive Kontakte mit Marine Le Pen in Frankreich und mit Exponenten der rechtsextremen Vox in Spanien), und noch weniger Journalisten nahmen sich die Mühe, die lobenden Worte Machados für Netanjahu respektive dessen Kriegführung im Gaza-Streifen zu hinterfragen. Niemand, auch in Venezuela, weiss, wohin sie, im Fall eines Sturzes von Maduro, das Land führen würde. Wahrscheinlich wohl in eine Richtung à la Trump (anlässlich eines Telefonats mit dem US-Präsidenten widmete sie ja ihm schon, auch wenn das wohl eher symbolisch gemeint war, den Preis). 

Maria Corina Machado als Kraft gegen das Maduro-Regime aus dem Innern Venezuelas und der drohende Krieg der USA von aussen – es erscheint wie eine wohlkoordinierte Zangenbewegung, um Nicolas Maduro zur Kapitulation zu zwingen. Doch wie steht es um die Legitimation einer US-amerikanischen Invasion in Venezuela?

Das Völkerrecht ist da klar: Es gibt gemäss Artikel 2 Absatz 4 ein Gewaltverbot und ein Verbot der Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staats. Die UN-Charta hält anderseits auch fest, dass jedes Land sich selbst verteidigen darf. 

Vorgeschobener Grund: Krieg gegen Drogenmafia

Die USA berufen sich jetzt darauf, sie befänden sich in einem Konflikt mit Drogenhändlern, also eigentlich in einem Defensivkrieg. Völkerrechtler weisen jedoch darauf hin, dass Drogenkriminalität ein Thema des Strafrechts ist und keine Rechtfertigung für einen Krieg gegen einen anderen Staat darstellt. Tatsächlich scheinen die USA ja auch kein Interesse daran gehabt zu haben, die Besatzung jener durch die amerikanischen Flugzeuge versenkten Boote gefangen zu nehmen und vor Gericht zu stellen, im Gegenteil: Mindestens zwei Überlebende wurden nach einem Erstschlag auf eines der Boote nachträglich durch Raketen getötet. Und was die Rolle Venezuelas im Drogenhandel betrifft, so sei sie immer marginal gewesen verglichen mit der Rolle anderer lateinamerikanischer Länder, besagen sämtliche Studien zum Thema: Maximal acht Prozent der Drogen, welche in die USA gelangen, sollen aus Venezuela stammen.

Also: um Drogenhandel kann es Donald Trump offenkundig nicht gehen, wohl aber um Regime-Change in Caracas. Dass die USA mit einer militärischen Intervention in Venezuela zurückfallen würden in den Geist der Monroe-Doktrin aus dem 19. Jahrhundert (mit dieser Doktrin wurde der ganze Kontinent, von Mexiko bis zur Südspitze Chiles und Argentiniens, einseitig zum Interessensgebiet respektive zum Hinterhof der Vereinigten Staaten herabgewürdigt), scheint unerheblich. Und die sogenannte internationale Gemeinschaft findet sich mit dem Lauf der Dinge ab und hüllt sich lieber in Schweigen, als mit dem Herrscher im Weissen Haus in Washington auf Konfrontationskurs zu gehen.

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