
Bei der SRG haben Einschaltquoten Vorrang vor Sendungen von hoher Qualität und Relevanz. Eine gefährliche Strategie, welche die Kampagne gegen die SVP-Halbierungsinitiative nicht beflügeln wird.
Ausser populären Fernsehsendungen wie «G&G Gesichter und Geschichten» und «SRF bi de Lüt – Live» werden bei Radio SRF u. a. das Wissenschaftsmagazin und die Wirtschaftssendung «Trend» gestrichen werden. Diese Entscheide der SRF-Direktion sind nicht nachvollziehbar.
Weshalb auf ein «fast» Monopol verzichten?
Der Wissenschaftsjournalismus in den Zeitungen – vor vierzig Jahren noch ein blühender Zweig – ist fast völlig verschwunden. So wurde das Wissenschaftsmagazin zum fast einzigen Gefäss für die vertiefte Berichterstattung über Forschung und Studien in den Bereichen Umwelt, Energie, Gesundheit, Technik und künstliche Intelligenz. Die Journalistinnen und Journalisten dieser wöchentlichen Sendung haben die Gabe, komplexe Tatbestände in verständliche und präzise Worte zu fassen. Sie lassen Forscher und Fachleute zu Wort kommen, die Fakten und Tendenzen aufzeigen, die uns z. B. verständlich machen, dass die Umwelt und auch unser Trinkwasser in einem schlechteren Zustand sind, als uns der Bundesrat glauben lässt. Solche Beiträge sind naturgemäss unbequem für Politiker, besonders für den SVP-Umweltminister. Sie sind jedoch unverzichtbar, um eine Diskussion und ein Ringen um möglichst erfolgversprechende Lösungen zum Wohle der Allgemeinheit zu ermöglichen.
Die SRF-Direktorin Natalie Wappler sagt, künftig würden «längere Wortinhalte durch kürzere ersetzt. Dies entspricht vermehrt den Nutzungsgewohnheiten des Radiopublikums». Das Publikum wird vertröstet, die Wissensinhalte würden künftig ins Tagesprogramm integriert, z. B. ins Echo der Zeit. Die Direktion verspricht etwas, das nicht realistisch ist, für manche Beiträge wird in den Informationssendungen kein Platz sein und zudem soll die Redaktion verkleinert werden. Erlaubt ist auch die Frage, ob kürzere Wortinhalte wirklich die Zukunft des Radios sein werden? Immerhin wird von der SRG auch auf Podcasts hingewiesen; diese sind hingegen eindeutig längere Beiträge und bei vielen Menschen sind sie heute sehr beliebt.
«Trend» wird ebenfalls aufgegeben
Ein einschneidender Verlust ist auch das Streichen der Wirtschaftssendung «Trend». Da werden Themen mit verschiedenen Stimmen erläutert und analysiert. Diese Sendung kann auch Hörerinnen und Hörer ansprechen, die an traditioneller Wirtschafts-Berichterstattung weniger interessiert sind. In der Presse hingegen ist die Wirtschaft immer noch sehr präsent – im Unterschied zur Wissenschaft.
Die SRG ist in einer schwierigen Lage. Das gebührenfinanzierte Medium wird nicht nur von der SVP attackiert, auch bei FDP und der Mitte hat sie viele Unterstützer verloren. Das ist schwer zu verstehen, denn die SRG ist eine der wenigen gesamtschweizerischen Organisationen, die auf der Solidarität zwischen den Landesteilen aufgebaut ist. Alle Sprachregionen erhalten einen Gebührenanteil, der ihnen erlaubt, vergleichbare Programme zu produzieren. Davon profitieren vor allem die italienische Schweiz, in kleinerem Umfang auch die französische Schweiz, während die Deutschschweiz auf einen Teil ihrer Gebühreneinnahmen zugunsten der sprachlichen Minderheiten zu verzichten hat. Zu diesem Verteilschlüssel sollten wir Sorge tragen. Damit er weiterhin akzeptiert wird, dürfen die Einnahmen der SRG nicht zu stark gekürzt werden. Sonst könnte die Solidarität der deutschsprachigen Schweiz mit den anderen Regionen zerbrechen zum Schaden der Minderheiten.
SRG notwendiger denn je
Leider hat der Bundesrat zum Auftakt der Auseinandersetzung mit der Halbierungsinitiative der SVP einen unverständlichen (Fehl-)Entscheid gefällt: Er hat die Radio- und Fernsehgebühren von 335 auf 300 Franken pro Haushalt herabgesetzt. Auf Verständnis des Parlaments für die finanziellen Probleme der SRG dauf man heute leider kaum hoffen. Es ist deshalb unerlässlich, dass möglichst viele Bürgerinnen und Bürger sich dereinst an der Urne gegen die Initiative der SVP zur Wehr setzen werden. Deshalb sollte die SRG nicht mit unbedachten Sparmassnahmen Radiohörerinnen und Radiohörer, Fernsehzuschauerinnen und Fernsehzuschauer verärgern.
Angesichts der gefährlichen Krise der Presse ist die SRG umso notwendiger. Denn die dauernd sinkenden Werbeeinnahmen der Zeitungen bedeuten Entlassungen von Journalistinnen und Journalisten, Verlust an Kompetenz und weniger vertiefte Beiträge. Die Programme der SRG können hingegen weiterhin unabhängige Informationen bieten. Das ist äusserst wichtig in einer Zeit, da viele Unwahrheiten in Wahrheiten zu verwandeln suchen. Für die politische Diskussion, beispielsweise im Vorfeld von Volksabstimmungen, sind zuverlässige Informationen wesentlich.