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Kommentar 21

Herkules oder Sisyphus?

6. Dezember 2018
Urs Meier
In Katowice geht es um die Realisierung des Pariser Klimaziels. Derweil die Welt in die Gegenrichtung treibt.

In seinem Tagebuch 1966–1971 hat Max Frisch den Fragebogen als literarische Form verwendet. Die allererste Frage lautet: „Sind Sie sicher, dass Sie die Erhaltung des Menschengeschlechts, wenn Sie und alle Ihre Bekannten nicht mehr sind, wirklich interessiert?“

Noch bis am 14. Dezember findet in Katowice eine Uno-Klimakonferenz statt, genauer, die „24th Conference of the Parties“ (COP 24), der Vertragsparteien des Pariser Klima-Abkommens von 2015. Das in Paris vereinbarte Ziel, die Erderwärmung gegenüber dem Vor-Industriezeitalter unter zwei Grad Celsius zu halten, lässt sich laut dem jüngsten Report des Weltklimarats IPCC mit den angekündigten Massnahmen nicht erreichen. Um den Wärmekollaps des Planeten zu verhindern, braucht es laut IPCC etwa eine Verdreifachung der Anstrengungen. Doch davon ist nichts zu sehen; vielmehr steigt der globale Ausstoss des Treibhausgases CO2. Er hat im Jahr 2017 einen neuen Höchststand erreicht.

Was der Welt droht, ist an einem immer vollständigeren Puzzle von Forschungsergebnissen ablesbar: Es wird wärmer, der Meeresspiegel steigt, die Ozeane versauern und es häufen sich extreme Wetterereignisse. Diese schon heute erkennbaren Phänomene ziehen Folgewirkungen nach sich: Gluthitze und schlechte Luft sind gesundheitsschädlich und schwächen die Produktivität; steigende Meerespegel führen weltweit zu Fluchtbewegungen grössten Ausmasses; in versauerten Ozeanen fallen mit sterbenden Fischbeständen Nahrungsgrundlagen von Menschen und Tieren aus; Brände, Stürme und Dürren zerstören Siedlungs- und Anbaugebiete.

Trump ist unter dem Beifall seiner Wähler aus dem Pariser Abkommen ausgestiegen. Die anfängliche Behauptung, die globale Erwärmung sei eine Erfindung der Chinesen mit dem Zweck, die USA zu schädigen, hat er nach den Bränden in Kalifornien halb zurückgenommen. Es gebe eine Erwärmung, aber sie sei nicht von Menschen verursacht. Auch Bolsonaro will aus „Paris“ ausscheren, weil er freie Hand will bei der Abholzung der Amazonas-Regenwälder. Uno-Generalsekretär Guterres hat allen Grund für seine in Katowice gemachte Bemerkung, die Welt sei bei ihren Bemühungen zum Stopp der Erderwärmung „vom Kurs abgekommen“.

Auch bei Signatarstaaten, die formell zu „Paris“ stehen, hapert es bei der Umsetzung der Ziele. In der Schweiz ist der Nationalrat eben dabei, das CO2-Gesetz zu Lasten des Klimaschutzes aufzuweichen. Deutschland, ebenfalls ein reiches Land mit allen Mitteln für einen Kurswechsel, tut sich unsäglich schwer mit dem Ausstieg aus der klimaschädigenden Kohleverstromung. Und Polen als Gastgeber der COP 24 pocht vielsagend auf einen „gerechten Übergang“ bei der Abkehr von der Kohlewirtschaft – Katowice liegt mitten im Kohlerevier. Dies bloss drei von vielen Ja-aber-Positionen.

Diese Konferenz soll nun also das im Vorjahr in Bonn auf der COP 23 verabschiedete „Regelbuch“ für alle fast 200 Vertragsparteien praktisch und verbindlich konkretisieren. Eine Herkules-Aufgabe! Oder gar eine des Typs Sisyphus?

Abgesehen von notorisch Verblendeten und politischen Sektierern stellt heute niemand das Zwei-Grad-Ziel offen in Frage. Betrachtet man jedoch das nationale und internationale Lavieren, so drängt sich Max Frischs entlarvende Frage auf: Ist uns eine langfristige Überlebensmöglichkeit der Menschen vielleicht doch nicht so wichtig?

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