Am 23. August dieses Jahres schickte uns Heiko Flottau eine Mail: «Ich dachte, ich sollte mir kurz vor meinem 86. Geburtstag nochmals die Mühe machen, etwas Vernünftiges zu schreiben – trotz nicht ganz stabiler Gesundheit». Er legte einen langen Artikel mit dem Titel «Vom sanften Transfer Herzls zur Massenvertreibung Netanjahus» bei. Es war seine letzte publizistische Veröffentlichung.
Am 28. August schrieb er der Redaktion von Journal 21 nochmals: «Der Abraham Melzer Verlag hat mir das neueste Buch des jüdisch-irakischen Historikers Avi Shlaim <Genozid in Gaza> zur Rezension gesendet. Werde ich für Journal21 machen, wenn nichts dagegen spricht. Werde also anfangen zu lesen und mich dann melden. Hat immerhin über 300 Seiten. Dauert ein wenig. Beste Grüsse»
Wir warteten vergebens. Sein Gesundheitszustand verschlechterte sich in den letzten Wochen rasant. Am vergangenen Montag, 15. Dezember, ist er gestorben.
Über hundert Artikel
Heiko Flottau war beim Journal 21 ein Mann der ersten Stunde. Während unseres jetzt über 15-jährigen Bestehens hat er über hundert Artikel für uns geschrieben.
Er, jahrzehntelang Auslandskorrespondent der «Süddeutschen Zeitung» (SZ), berichtete aus dem damaligen Jugoslawien, aus Polen und aus dem Nahen Osten. In einem Nachruf der SZ schreibt Jens Schneider: «Mit seinem genauen Blick prägte Heiko Flottau als Auslandskorrespondent über Jahrzehnte die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung mit. Der Nahe Osten lag ihm besonders am Herzen.» Schneider lobt seine Offenheit und bezeichnet ihn als «auffallend leisen und enorm hilfsbereiten Journalisten ... der es genau wissen wollte, aus direkter Quelle, um dann genau zu berichten und die so komplizierten Konflikte erklären zu können.»
Flottau schrieb auch mehrere Bücher, so «Die Eiserne Mauer: Palästinenser und Israelis in einem zerrissenen Land». Und: «Vom Nil bis an den Hindukusch: Der Nahe Osten und die neue Weltordnung». Und andere.
Leserbriefredaktor
Angefangen hatte Heiko Flottau bei der Süddeutschen Zeitung als Leserbriefredaktor. Anschliessend schuf er die Medienseite der SZ und wurde dann Auslandskorrespondent.
Ab 1978 berichteten er und seine damalige Frau Renata Flottau aus Belgrad über das zerfallende Jugoslawien. Renata Flottau schrieb für den «Spiegel». Anschliessend zog es Heiko nach Kairo. Immer mehr entwickelte er sich zu einem hochangesehenen, kompetenten, beharrlichen, sachlich schreibenden Kenner des Nahen Ostens.
Jens Schneider erzählt eine lustige Anekdote: «Als Korrespondent in Kairo war er es damals irgendwann leid, sich als Reporter der Süddeutschen Zeitung vorzustellen und doch nie verstanden zu werden, egal, wie oft er den Namen wiederholte oder buchstabierte. Pragmatisch beschloss er, seine Visitenkarte für die Region zu ändern, darauf stand dann: Heiko Flottau, correspondent, Munich Times.»
Nach seiner Pensionierung schrieb er vor allem für Journal 21. Mehrmals war er für unsere Jahressitzungen nach Zürich gereist. Da diskutierten und diskutierten wir lange, lange vor allem über den Nahen Osten. Wir lernten ihn als liebenswerten, offenen, nie auf Standpunkten beharrenden, pragmatischen, nicht polarisierenden, keineswegs dogmatischen Journalisten mit einer enormen Erfahrung und einem enormen Wissen kennen. Er fehlt uns.
Einmal sagte er: «Zum Glück gibt es Journal 21.»
Hier einige der Artikel von Heiko Flottau