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Griechenland

Von der Regionalmacht Türkei überflügelt

6. September 2025 , Athen
Daniel Funk
Daniel Funk
F16 der griechischen Luftwaffe
Eine F16 der griechischen Luftwaffe bei der International Air Show auf der Luftwaffenbasis Tanagra. Griechenland bemüht sich sehr, militärische Stärke zu zeigen, um von der aufstrebenden Regionalmacht Türkei nicht endgültig abgehängt zu werden. (Keystone/EPA, Alexandros Vlachos)

Die Türkei baut ihren Einfluss im Nahen Osten und von Albanien bis Libyen zielstrebig aus. Griechenland ringt mühsam darum, mit dem Rivalen einigermassen Schritt zu halten – doch diplomatisch und militärisch gerät es zunehmend ins Hintertreffen.

Die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei sind von einer langen Geschichte der Spannungen geprägt. Doch in den vergangenen Jahren hat Ankara seine aussenpolitische Reichweite so deutlich verstärkt, dass Athen zunehmend unter Druck gerät. Territorialfragen, Energieinteressen und militärische Stärke verschränken sich zu einer geopolitischen Dynamik, die das Machtgleichgewicht im östlichen Mittelmeer verschiebt.

Die Türkei versteht sich heute als mittlere, aber global aktive Macht. Trotz einer von Inflation und Korruption belasteten Wirtschaft verfügt sie über eine breite industrielle Basis und eine rasant wachsende Rüstungsindustrie. Während Griechenland seine Verteidigungsindustrie weitgehend hat verfallen lassen, produziert die Türkei in Serie Drohnen, Raketen und Panzerfahrzeuge, die nicht nur den Eigenbedarf decken, sondern auch weltweit exportiert werden.

Aussenpolitisch aktive Türkei
Besonders sichtbar ist der türkische Einfluss auf dem Balkan. Albanien gilt inzwischen als ein enger Verbündeter Ankaras – Kritiker sprechen gar von einem Protektorat. Türkische Investitionen, religiöse Netzwerke und politische Unterstützung sichern Erdoğan einen grossen Handlungsspielraum in Tirana. In Nord-Mazedonien intensiviert Ankara seine Beziehungen, indem es Infrastrukturprojekte und sicherheitspolitische Kooperationen fördert. Im Gegensatz dazu wirken griechische Initiativen in der Region begrenzt. Mit Bulgarien unterhält Ankara mittlerweile verhältnismässig stabile und nicht feindselige Beziehungen – auch dies entzieht Athen diplomatischen Spielraum.

Auch im Nahen Osten verfolgt die Türkei eine aktive Agenda. In Ägypten gelang nach Jahren der Entfremdung die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen. Nun verhandeln beide Staaten über die Abgrenzung der Ausschliesslichen Wirtschaftszone (AWZ) im östlichen Mittelmeer – eine Entwicklung, die griechischen Interessen zuwiderlaufen könnte. In Libyen kontrolliert Ankara über das Abkommen von 2019 grosse Teile der maritimen Abgrenzungen. Während es Griechenland nicht gelang, das Abkommen zu blockieren, hat sich die Türkei sowohl mit der in Tripolis ansässigen Regierung als auch mit General Haftar verständigt – beide Seiten akzeptieren die türkische Linie.

Im Kaukasus half die Türkei Aserbaidschan, Armenien aus Bergkarabach zu verdrängen. In Syrien verfolgt Ankara das Ziel, ein von ihr kontrolliertes islamisches Regime zu etablieren. Zudem ist es im Nordirak militärisch präsent. Selbst mit den Kurden, traditionell ein Konfliktfeld, gelang es der Türkei, ihre Beziehungen partiell zu glätten. Parallel tritt sie selbstbewusst gegenüber Israel auf – ein Signal, dass Ankara keine Scheu hat, mit starken regionalen Akteuren in Konfrontation zu gehen.

Defensives Griechenland
Im Vergleich dazu wirkt Griechenlands Aussenpolitik defensiv. Während Ankara durchsetzt, dass im östlichen Mittelmeer nichts ohne seine Zustimmung geschieht, bleibt Athen auf symbolische Schritte beschränkt. Forschungsmissionen jenseits der Sechs-Meilen-Zone wurden durch türkische Marineeinsätze verhindert, Kabelverlegungen nach Drohungen gestoppt. Griechenland erklärte zwar neue Meeresschutzgebiete, jedoch ausschliesslich innerhalb der eigenen Hoheitsgewässer – anstatt die volle AWZ auszuschöpfen.

Griechische Aussenpolitiker betonen die «Mobilität» der Diplomatie in den vergangenen Jahren: viele Gespräche, Reisen und internationale Kontakte. Doch Kritiker fragen, ob diese Mobilität tatsächlich greifbare Ergebnisse gebracht habe. Ankara konnte von Albanien über Libyen bis Ägypten Erfolge verbuchen, während Athen oft in einer reaktiven Rolle blieb.

Das Kräfteverhältnis zwischen beiden Staaten folgt letztlich einem bekannten Muster: Der Stärkere setzt durch, was seine Macht erlaubt. Diese Stärke bemisst sich nicht nur an der militärischen Schlagkraft, sondern auch an ökonomischer Leistungsfähigkeit, politischer Stabilität und internationalen Allianzen. Während die Türkei ihr Profil als flexible Mittelmacht schärft, fällt es Griechenland schwer, ein Gegengewicht zu bilden.

Die Zukunft der griechisch-türkischen Beziehungen hängt stark davon ab, wie Athen seine strategische Positionierung neu ausrichtet. Eine Modernisierung der eigenen Rüstungsindustrie, eine stringente Bündnispolitik und das konsequente Einfordern von Unterstützung durch die EU könnten entscheidend sein. Andernfalls droht die Türkei, ihren Vorsprung weiter auszubauen, nicht nur militärisch, sondern auch durch diplomatische Allianzen, die Athen schwächen.

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