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Zwischenruf

Gelbe statt rote Karte für Köppel

27. April 2016
Urs Meier
Den Nationalratssaal zu verlassen, war die falsche Reaktion auf die Entgleisung des Weltwoche-Chefs.

Das Votum Roger Köppels im Nationalrat zur Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien hat Staub aufgewirbelt. Er sprach im Namen der SVP gegen das Zusatzprotokoll, das diese Ausweitung herbeiführt. Seine Partei stellt sich auf den Standpunkt, dieses Protokoll widerspreche dem neuen Masseneinwanderungs-Artikel in der Bundesverfassung. Tatsächlich lautet Artikel 121a, Absatz 4: «Es dürfen keine völkerrechtlichen Verträge abgeschlossen werden, die gegen diesen Artikel verstossen.»

Tirade auf die Lieblingsgegnerin

Alle anderen Parteien und der Bundesrat sind der Ansicht, das Zusatzprotokoll sei kein neuer Vertrag, sondern bloss die Vorbereitung für die Erweiterung der Personenfreizügigkeit als Folge der Aufnahme Kroatiens in die EU. Vollzogen sei die Erweiterung erst mit der Ratifizierung, die nach der angestrebten Einigung mit der EU über die Zuwanderung erfolgen werde. Die Unterzeichnung des Zusatzprotokolls sei zudem wichtig, weil die EU die Beteiligung der Schweiz am Forschungsprogramm «Horizon 2020» davon abhängig mache.

Würde der Polemiker Köppel seinen ersten grösseren Auftritt im Parlament bei dieser einigermassen komplexen Sachlage zu fein ziselierter Argumentation nutzen? Natürlich nicht. Vielmehr ergriff er die Chance zu einer Tirade auf seine Lieblingsgegnerin Simonetta Sommaruga. Er warf ihr Verfassungsbruch vor, schoss gegen das neue Asylgesetz und brachte die für seine Partei typischen fremdenfeindlichen Stereotypen in Stellung.

Dem Radaubruder Parole bieten

Das war zweifellos starker Tobak. Doch statt dem Radaubruder Paroli zu bieten, kehrten ihm die Bundesrätin und in ihrem Gefolge die SP-Fraktion den Rücken: Sie verliessen den Saal. Das kann man machen. In vielen Parlamenten rund um die Welt ist es gang und gäbe, hierzulande bislang jedoch ziemlich unüblich.

Stark wäre eine Bundesrätin, wären Parlamentarierinnen und Parlamentarier gewesen, die auf Köppels Anwürfe scharf, präzis und rhetorisch gekonnt geantwortet hätten. Hatte niemand die nötige Geistesgegenwart, die wünschbare Streitlust und die erforderliche Courage?

Gewiss, Köppel war heftig, respektlos und im SVP-typischen Übermass polemisch. Aber er war nicht persönlich beleidigend. Seine überzogenen und tendenziösen Aussagen hätte man auf der Sachebene kontern können. Zudem wäre es sinnvoll gewesen, in einer Replik nochmals den von der Mehrheit eingeschlagenen Weg zu verteidigen und dessen Verfassungstreue aufzuzeigen: Manchmal muss man zum Besten des Landes eben zwei oder drei Überlegungen gleichzeitig anstellen. Und wer das tut, kann nicht mit dem Knüppel politisieren.

Mit dem Gesicht zum Gegenspieler reagieren

Solche Dispute täten dem Parlament gut. Rausgehen aus dem Saal kann bestenfalls eine Haltung andeuten, was in extremen Situationen vielleicht mal das Richtige ist. So lange nur Anstand und Stil verletzt sind, muss die angegriffene Seite jedoch mehr als nur Haltung zeigen; sie muss ihre Sache verteidigen. Köppels Votum war eine Entgleisung, aber kein Extremfall. Es verdient eine gelbe, keine rote Karte. Auf solche Auftritte müssen ein Parlament und eine Magistratin souverän reagieren, das heisst mit dem Gesicht und nicht mit dem Rücken zum Gegenspieler.

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