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Kommentar 21

«Eine Maschinerie des Quatschs»

28. April 2025
Ignaz Staub
Karoline Leavitt
Karoline Leavitt, White House Press Secretary (Keystone/EPA/Jim Lo Scalzo)

Die Informationspolitik des Weissen Hauses widerspiegelt die Politik Donald Trumps. Sie ist erratisch, inkohärent und irreführend. Karoline Leavitt, die 27-jährige Pressesprecherin des Weissen Hauses, verkörpert die Politik der US-Regierung perfekt. Sie will vor allem etablierten Medien zugunsten von MAGA-Quellen das Leben schwer machen.

Mitte April gab US-Aussenminister Marco Rubio bekannt, er plane jene Stelle des State Departments zu eliminieren, die sich mit Desinformation aus dem Ausland beschäftigt: «Es ist mir ein Vergnügen anzukündigen, dass das Aussenministerium eine wichtige Massnahme trifft, um das Versprechen des Präsidenten zu halten, die amerikanische Rede zu befreien, indem wir für immer die Amtsstelle abschaffen, die als Global Enforcement Center (GEC) bekannt war.»  Im Interview mit einem für seine rechtsextremen Ansichten bekannten früheren Trump-Offiziellen prahlte Rubio weiter: «Wir haben die von der Regierung gesponserte Zensur durch das State Department beendet.»

Zuvor hatten konservative Stimmen während Jahren Big Tech vorgeworfen, sie würden konservative Ansichten zensieren, und das GEC dafür verantwortlich gemacht. Die Vorläuferbehörde des GEC, von Präsident Barack Obama initiiert, hatte sich ursprünglich mit Terrorbekämpfung beschäftigt, ab 2016 ihren Schwerpunkt aber auf den Kampf gegen Propaganda und Desinformation ausländischer Regierungen und Terrorgruppen verlegt. Neu hiess die Stelle Counter Foreign Information Manipulation and Interference Hub (R/FIMI) und beschäftigte mit einem Budget von 51,9 Millionen Dollar noch 40 Mitarbeitende, denen gekündigt worden ist. 

«Die Zensur kontern»

Zum Vergleich: Schätzungen zufolge gibt Russland 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr für Propaganda-Zwecke aus. Der Rundfunk der Islamischen Republik Iran, Hauptquelle der Regierung in Teheran für Propaganda im Ausland, hat ein Budget von 1,6 Milliarden Dollar. Derweil soll China 2015 bis zu 10 Milliarden Dollar für Medien ausgegeben haben, die Ausländer anpeilen. 

Donald Trumps präsidiale Anordnung «zum Kontern der Zensur und zur Wiederherstellung der Redefreiheit» liest sich wie folgt: «Unter dem Vorwand, ‘Misinformation’, ‘Desinformation und ‘Malinformation’ zu bekämpfen, hat die Bundesregierung die von der Verfassung geschützten Rechte amerikanischer Bürgerinnen und Bürger auf freie Rede beschnitten in einer Art und Weise, die das von der Regierung bevorzugte Narrativ über wichtige Sachverhalte von öffentlichem Interesse befördert. Zensur der Rede durch die Regierung ist in einer freien Gesellschaft unerträglich.» Mit der Bundesregierung sind Barack Obama und Joe Biden gemeint. 

Verfolgung abweichender Meinungen

Marco Rubios Zensurvorwürfe und Donald Trumps Feindseligkeit Vorgängerregierungen gegenüber vertragen sich nur schlecht mit einer Realität, in der dissidente Meinungen verfolgt oder bestraft werden, wie sich das etwa im Vorgehen des Weissen Hauses gegen DEI-Programme («Diversity, Equity and Inclusion»), gegen Behörden, Universitäten, Anwaltskanzleien und Medien äussert, die nicht auf der Linie des Weissen Hauses liegen. Sie passen auch nicht zu einer offiziellen Informationspolitik, die zwar die Redefreiheit bis zum Äussersten ausreizt, sich dabei aber exakt jener Auswüchse schuldig macht, die sie zu bekämpfen vorgibt. Und die das Verbreiten von Desinformation, Propaganda und Fake News zu einer neuen Kunstform erhoben hat. 

Ein Paradebeispiel dafür ist Karoline Leavitt, die Pressesprecherin des Weissen Hauses. Sie hat vor ihrem Amtsantritt in einem Video für das konservative «Project 25» vom Präsidenten ernannten Amtsträgern geraten: «Sometimes you’re going to have to ‘fake it till you make it’ a little bit.» (Gelegentlich werdet ihr ein wenig vortäuschen müssen, bevor ihr es schafft.) 

Beten vor dem Briefing

Den Rat hat Leavitt selbst befolgt, hatte die 27-Jährige doch zuvor lediglich Erfahrung in der Politik, aber nicht im Journalismus. 2022 bewarb sie sich in New Hampshire erfolglos um einen Sitz im Abgeordnetenhaus. Die Wahl, sagt sie, sei «gestohlen» gewesen, wie jene Donald Trumps zwei Jahre zuvor.

«Ich verpflichte mich, von diesem Podium herunter jeden einzelnen Tag die Wahrheit zu sagen», liess sie nach Trumps Amtseinsetzung bei ihrem ersten Pressebriefing im Weissen Haus die Medien wissen – eine unverblümte Lüge. Zuvor hatte die gläubige Katholikin und Absolventin einer Klosterschule, wie sie das vor Briefings zu tun pflegt, ihre Mitarbeitenden um sich versammelt, um zu beten. Sie bat Gott um Vertrauen, die richtigen Worte zu finden und ein gutes Briefing für den Präsidenten, die Regierung und das amerikanische Volk abzuliefern.  

«Kondome für die Hamas»

Stolz verkündete Leavitt, die Regierung habe «Verschwendung» entdeckt und behauptete, 50 Millionen Dollar an Steuergeldern seien ausgegeben worden, um in Gaza Kondome für die Kämpfer der Hamas zu finanzieren. Der Präsident behauptete bei anderer Gelegenheit, Hamas brauche die Kondome, um Bomben zu bauen. 

In Wirklichkeit waren die Kondome zur Verhütung sexuell übertragener Krankheiten in einer Provinz in Mocambique bestimmt, die auch Gaza heisst. Elon Musk seinerseits postete die Lügengeschichte der «Terrorkondome» auf X, ein Post, der innert 24 Stunden 111 Millionen Mal angeklickt wurde.

Später einmal verkündete Karoline Leavitt, es gebe keinen Zweifel, dass Donald Trump der am härtesten arbeitende Politiker des Landes sei. In Tat und Wahrheit hatte der Präsident nach Ankündigung seiner umstrittenen Zollpolitik das Wochenende bei einem Golfturnier in Florida verbracht, das er selbstverständlich gewann. Oder die Sprecherin teilte mit, das Weisse Haus glaube entschieden an den Ersten Verfassungszusatz, der in Amerika die Rede- und Versammlungsfreiheit garantiert. 

Zutritt verweigert

Dagegen hat Präsident Trump wiederholt die Bestrafung oder Schliessung privater Fernsehsender wie CNN oder CBS und öffentlicher Anstalten wie NPR oder PBS gefordert. Seine Regierung hat auch Visa von Studenten aufgehoben, die bei Kundgebungen an Universitäten Sympathien für die palästinensische Sache geäussert hatten. 

Auch hat Karoline Leavitt den Entscheid des Weissen Hauses verteidigt, der Nachrichtenagentur AP den direkten Zugang zu Briefings und präsidialen Trips zu versperren. Der Grund dafür: AP weigert sich, in ihren Depeschen den Golf von Mexico wie von Trump gefordert in «Gulf of America» umzubenennen. 

Leavitt will auch die Präsenz traditioneller Medien bei Briefings im Weissen Haus zugunsten des Zugangs für rechte Influencer, Blogger und Podcaster verringern. Dies mit der an sich nicht unzutreffenden, aber transparent parteiischen Begründung, die amerikanische Medienlandschaft habe sich jüngst verändert und diesem Umstand gelte es Rechnung zu tragen. Ausserdem, so die Sprecherin, würden etablierte Medien «Lügen» verbreiten: «Ich habe bereits in meinem ersten Briefing klar gemacht, dass, falls Medien in diesem Raum Lügen verbreiten, wir sie für diese Lügen zur Rechenschaft ziehen werden.»

Ein Rachefeldzug

Dagegen argumentiert die White House Correspondents’ Association (WHCA), solche Massnahmen würden unabhängige Berichterstattung erschweren und Medienschaffende bevorteilen, die unkritisch Donald Trumps Agenda befürworten wie etwa die 24-jährige Natalie Winters, die für den früheren Trump-Berater Stephen K. Bannon arbeitet, dessen populärer Podcast «War Room» ungefiltert MAGA-Propaganda und Verschwörungstheorien verbreitet. Winters sieht MAGA-Medien als «wachsende Macht» und sagt, sie berichte nicht über das Weisse Haus, sondern über «die Kräfte des Widerstands», d. h. die etablierten Medien. Diesen wirft sie unter anderem vor, sich an «CIA psy-ops» zu beteiligen, d. h. an psychologischer Kriegsführung des Auslandgeheimdiensts gegen den Präsidenten.

Für Eugene Daniels, den Präsidenten der WHCA, sind die Bemühungen des Weissen Hauses, die Zusammensetzung des Pressepools und dessen Zugangsoptionen zu ändern, nicht mehr als ein neuer Versuch, «gegen Nachrichtenorganisationen zurückzuschlagen für Berichterstattung, die dem Weissen Haus missfällt.» 

Am Ende werden wohl, wie so oft in Amerika, Gerichte entscheiden müssen, wie zulässig oder illegal die Pressepolitik des Weissen Hauses und dessen Sprecherin Karoline Leavitt ist. All das sieht Matt Boyle, Bureau Chief der rechten Website «Breitbart News», ganz anders: «Das goldene Zeitalter des amerikanischen Journalismus ist zurück im Weissen Haus.»

Gezielte «Desinformationsüberlastung»

Karoline Leavitt dient einem Präsidenten, der den Fact-Checkern der «Washington Post» zufolge in seiner ersten Amtszeit 30’753 falsche oder irreführende Aussagen gemacht hat – im Schnitt 21 pro Tag. Und dessen Regierung eine Strategie der «Desinformationsüberlastung» verfolgt, die nicht nur die amerikanische Öffentlichkeit, sondern auch die Justiz überfordert. Was früher als Fake News lediglich in einzelnen Kammern des Internets zirkulierte, ist inzwischen zu offizieller Verlautbarung des Weissen Hauses mutiert. 

Eine Forscherin der University of Washington nennt das ganze Amalgam von Podcasts, Live Streams und Social Media-Feeds eine bewusst konstruierte «Maschinerie des Quatschs», die auch die Informationspolitik des Weissen Hauses antreibt. Donald Trump selbst hat 2021 bei einer Wahlveranstaltung eingeräumt, dass die Verdrehung von Tatsachen ein probates Mittel zum Zweck sein kann: «Wenn du etwas genug sagst und es wiederholst, dann werden sie beginnen, dir zu glauben.»

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