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Kommentar 21

Ein Pyrrhussieg?

3. Oktober 2022
Christoph Kuhn
Lula
Lula nach Bekanntgabe der Ergebnisse in São Paulo (Foto: Keystone/AP/Marcelo Chello)

Pyrrhussieg (der Name geht auf einen antiken König zurück) nennt man einen Erfolg, der mit so viel Verlusten errungen wurde, dass man nicht mehr weiss, ob man von einem Sieg oder einer Niederlage sprechen soll. Nicht ausgeschlossen, dass der brasilianische Präsidentschaftskandidat Luiz Inácio Lula da Silva am 2. Oktober einen derartigen Pyrrhussieg eingefahren hat.

Zwar gewann Lula die erste Runde mit dem vorausgesagten Resultat: Er erhielt 48,4% der abgegebenen Stimmen, also fast die absolute Mehrheit. Was aber niemand prophezeien mochte, ist der Umstand, dass ihm sein Kontrahent, der amtierende Präsident Jair Bolsonaro, dicht auf den Fersen blieb und mit 43,2% ein mehr als achtbares Resultat erzielte. Die beiden müssen nun in die am 30. Oktober stattfindende Stichwahl.  

Das verheisst für das Land nichts Gutes. Denn jetzt wird ein Wahlkampf, der schon bisher als einer der dreckigsten in die Geschichte Lateinamerikas eingehen wird, vier Wochen lang weitergeführt, was Brasilien einem Besorgnis erregenden Stresstest unterwirft. Die beiden Amtsanwärter beschimpften sich in ihren Kampagnen aufs Übelste. Schwer vorstellbar, dass ihre verbalen Attacken, in denen es immer um die Person, selten um eine Sache ging, noch zu toppen wären. Vor allem Bolsonaro hat es – ganz nach den Rezepten seines politischen Vorbilds Donald Trump – geschafft, das Land zu polarisieren, ja zu spalten. Und noch etwas hat er sich von Trump abgeschaut: Er sät Misstrauen, was das Wahlresultat angeht. Sollte er die Stichwahl verlieren, würde er das nicht akzeptieren, lässt er verlauten. Denn verlieren könne er nur, wenn die Wahlen manipuliert wären.  

Sollte der moderat linke Lula seinen kleinen Vorsprung ins Ziel bringen und die Stichwahl am 30. Oktober gewinnen, ist er nicht zu beneiden. Gleichzeitig mit dem Präsidenten wurden Gouverneure, Abgeordnete, Senatoren gewählt. Und da sieht es so aus, als ob Brasilien politisch  deutlich nach rechts rückt, was dazu führen wird, dass es einem Präsidenten Lula sehr schwer fallen würde, im Parlament, in den einzelnen Bundesstaaten die nötigen Mehrheiten zu finden, um seine ehrgeizigen Reformpläne durchzusetzen.

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