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Architektur

Ein halbes Jahrhundert Denkmalschutz

19. April 2025
Fabrizio Brentini
Alte Reithalle Aarau
Barão-Hutter Atelier, Alte Reithalle, Aarau, 2021 © Luca Zanier

1975 war das Jahr des Denkmalschutzes Es führte zur Gründung zahlreicher Institutionen, die sich für die Erhaltung historischer Bauten einsetzen. Das Schweizerische Architekturmuseum Basel stellt aktuelle Projekte vor, die den Dialog von Alt und Neu testen.

So euphorisch man nach dem Krieg den Autoverkehr förderte, so ernüchtert war man, als die Auswirkungen dieser Entwicklung sichtbar wurden: Autobahnen zerschnitten die Landschaft und drangen bis in die Innenstädte vor, wo das Wohnen zur Zumutung wurde. Keine Publikation traf den Nerv der Zeit besser als das Bilderbuch von Jörg Müller, der 1976 mit doppelseitigen Illustrationen den Wandel vom idyllischen, kleinstädtischen Ambiente zur gesichtslosen Geschäftswelt schonungslos darlegte. 

Ewig droht der Baggerzahn

Für die Ausstellung sind die Seiten dieses berühmten Buches mit dem Titel «Hier fällt ein Haus, dort steht ein Kran und ewig droht der Baggerzahn» an eine Wand gepinnt worden. Ein weiteres eindrückliches Zeitdokument ist der Kurzfilm «Beton-Fluss» von Hans-Ulrich Schlumpf, der 1975 anhand der Sihlhochstrasse in der Stadt Zürich die menschenfeindlichen städtebaulichen Eingriffe des Autoverkehrs thematisiert. Im Filmton werden Statements von Anwohnern mit dem Dröhnen der Pfählung unterlegt. Sie gleicht einer brutalen Folterung der Erde. 

Es waren solche Pamphlete, die erst eine Neubesinnung im Umgang mit Landschaft und historischer Substanz in den Dörfern und Städten in Gang setzten. Die in der Ausstellung präsentierten Quellen reichen bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück, doch erst der Impuls von 1975 schuf die Voraussetzungen für wirkungsvollen Schutz. Es wurden Gesetze formuliert, es wurden Lehrstühle an Universitäten geschaffen, es wurde die Inventarisierung der Baudenkmäler intensiviert und vieles mehr. 

Die insgesamt erfreuliche Entwicklung kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass durch die zahlreichen involvierten Vereine und Behörden auch die Interessenkonflikte zugenommen haben. Denn es wird weitergebaut, gerade im Hinblick auf die Zehnmillionen-Schweiz mit einer fast schon ähnlichen Dynamik wie in den Boomjahren nach dem Krieg. Gleichzeitig soll die Landschaft vor der weiteren Zersiedlung geschützt werden. So konzentriert man sich auf die Städte und möchte hier verdichten, somit genau dort, wo bestehende Bausubstanz gefährdet wird. 

Was macht ein Gebäude zum Denkmal?

Jeder Versuch, die Ziele des Schützens festzuschreiben, führt zu den sattsam bekannten Streitigkeiten zwischen Denkmalpflegern, Eigentümern und Architekten. Was macht ein Gebäude zum Denkmal? Definiert man dieses als «Zeugnis einer politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder baukünstlerischen Epoche» sowie nach «Stellenwert in einem bestimmten Kontext», so drängt sich schon fast die Frage auf, welches Gebäude denn kein Denkmal sei.

Oekolampad Basel
Gemeindehaus Oekolampad, Basel, 2020–2024. Blick in den ehemaligen Kirchensaal mit eingebautem Theater, Bauherrschaft: Wibrandis Stiftung, Architektur: Vécsey*Schmidt Architekt*innen, Foto: Basile Bornand

Eine Entscheidung der Schutzwürdigkeit erfolgt in mehreren Schritten nach Abschluss einer ausführlichen Analyse. Bei enger Auslegung der Kriterien müsste jedes gebaute Objekt prinzipiell als schutzbedürftig eingestuft werden. Wer schon bei einem Bauprojekt mit der Denkmalpflege zu tun hatte, weiss um die Bandbreite der Einschätzungen. Es gibt fortschrittliche Gremien, die architektonische Eingriffe mit eigener Handschrift begrüssen, und es gibt dogmatische, die vor allem mit Hinweis auf die Charta von Venedig aus dem Jahre 1964 alle Bauphasen als schutzwürdig taxieren und Veränderungen unter keinen Umständen zulassen. 

Je mehr Personen in den Entscheidungsprozess bei der Unterschutzstellung eines Objektes mitreden, umso schwieriger wird es, Gebautes für den Abbruch freizugeben. Man staunt bisweilen schon, wenn plötzlich ein bis anhin als medioker eingestufter Bau plötzlich zu einem baukünstlerischen Juwel hochgestuft wird, etwa eine unauffällige Quartierkirche, die unter Umständen gar nicht mehr als solche genutzt werden kann. 

Nein zu Rafael Moneo, Ja zu Jean Nouvel

Wie also mit Vorhandenem verantwortungsvoll umgehen? Die Ausstellung diskutiert dies mit zehn Beispielen neuerer Umbauten und Renovationen. Am prominentesten wird die Instandstellung des Kongresshauses und der Tonhalle Zürich dokumentiert. Der Komplex, bestehend aus dem Musiksaal von 1895 und der Erweiterung von 1939, wäre beinahe zum Abbruch freigegeben worden, um einem Neubau des Stararchitekten Rafael Moneo zu weichen. Die Bevölkerung verwarf 2008 dieses Ansinnen und ebnete den Weg für die Gesamtsanierung. Das ist sozusagen klassische Denkmalpflege. 

Es hätte auch anders verlaufen können, wie das Beispiel Luzern beweist, wo der ebenfalls als Denkmal eingestufte Meilibau dem inzwischen hochgelobten Monument von Jean Nouvel, dem KKL, Platz machen musste. 

Wenig reflektiert wird, was eine Renovation unter Berücksichtigung denkmalpflegerischer Bedingungen genau besagt. Denn wie auch immer man an einem Bau herumdoktert, am Schluss hat man so oder so etwas Neues, auch dann, wenn sichtbare architektonische Eingriffe sich auf ein Minimum beschränken. Allein schon der Ersatz beschädigter Materialien kann erhebliche Veränderungen bedeuten. Dazu kommen technische Einrichtungen, die es zur Bauzeit nicht gab, ferner zusätzliche Isolationen und Dämmungen. 

Unverkrampft und innovativ

Eine unverkrampfte Beziehung zu einem Baudenkmal könnte innovative Gestaltungen fördern, wie sie Carlo Scarpa schon in den 1960ern erprobt hatte. Seine Umgestaltung des Castelvecchio in Verona (1958–1964) gehört nach wie vor zum Besten, was den Umgang mit geschichtlich bedeutsamen Monumenten betrifft. Von Scarpa beeinflusst, demonstrierte Karljosef Schattner, der langjährige Leiter des Diözesans- und Universitätsbauamtes, mit zahlreichen Projekten in der Altstadt von Eichstätt, wie man Altes transformieren kann, ohne sich als Architekt mit eigener Handschrift zu verleugnen. Spuren von Scarpa in der Schweiz findet man insbesondere im Tessin, am gelungensten im Umbau des Castelgrande in Bellinzona von Aurelio Galfetti.

Grabs
Allen + Crippa, Gässli5, Grabs SG, 2022–2024. Modell 1:33 des versetzten Hauses und des Anbaus in Stampflehm © Allen + Crippa

In der Deutschschweiz war und ist man nach wie vor etwas zurückhaltender. Das wird sich, schaut man sich die neun Projekte an, die Studentinnen und Studenten der ETH für diese Ausstellung auswählten, wohl auch nicht schnell ändern. Zu sehen sind vorwiegend Sanierungen, so einer Fassade (Basler Kantonalbank), einer Energieversorgung (Siedlung Telli Aarau), zweier Hotels (Schatzalp Davos und Dorfhotel Poort A Poort Grengiols), eines Dorfhauses (Maison Duc Saint-Maurice). Das wirkt etwas verhalten und man hätte gerne frechere Interventionen gesehen. Am auffälligsten ist das Projekt von Allen+Crippa in Grabs, wo neben einem renovierten Holzhaus etwas abgedreht ein ähnliches Haus in Beton aufgezogen wurde. Da prallen zwei Haltungen aufeinander, die erst in diesem Zusammenspiel ein reizvolles Ensemble schaffen.

Auffällige «Experimente zwischen Denkmalpflege und Architektur», wie der Untertitel der Ausstellung verspricht, fehlen zwar, aber es kann sein, dass die geplanten Debatten über die Zukunft der Denkmalpflege in einer eigens hierfür eingerichteten Bar weiterführen. Schauen wir mal.

Die Ausstellung «WAS WAR WERDEN KÖNNTE» ist bis 14. September im Schweizerischen Architekturmuseum Basel geöffnet.

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