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Kommentar 21

Das Weisse Haus ist «empört»

10. Oktober 2025
Heiner Hug
Donald Trump
Trump am 9. Oktober in Washington (Keystone/EPA/Samuel Corum/Pool)

Glaubte wirklich jemand, dass das norwegische Nobelkomitee einen paranoiden, verlogenen, geistlosen, jähzornigen, narzisstischen, hoffnungslos selbstverliebten Menschen mit dem Friedensnobelpreis auszeichnen würde?

Nein, Donald Trump hat den Friedensnobelpreis, nach dem er so lechzte, nicht bekommen. Die fünf Mitglieder des norwegischen Nobelpreiskomitees liessen sich nicht von ihm umstimmen. Stattdessen wurde die venezolanische Oppositionelle María Corina Machado ausgezeichnet.

Das Weisse Haus reagierte «empört» und kritisierte die Entscheidung in Oslo scharf. Das Nobelkomitee habe bewiesen, erklärte der Sprecher des Weissen Hauses, dass es «die Politik über den Frieden» stelle.

Zugegeben, im Nahen Osten sind die Fronten in Bewegung geraten. Doch trotz dieses Durchbruchs ist noch längst nicht klar, ob die jetzige Entwicklung einen dauerhaften Frieden bringen wird. Einen solchen wird es, nach Ansicht vieler Experten, erst geben, wenn auch die Palästinenser einen eigenen Staat erhalten haben. Davon und von einem echten Frieden ist man heute weit entfernt.

Und die anderen sieben Konflikte, die Trump nach eigenen Angaben gelöst haben will? Das sind alles Auseinandersetzungen, bei denen es seit Jahren auf und ab geht. Von einer nachhaltigen Lösung kann nicht gesprochen werden. Sehr schnell kann da wieder Gewalt ausbrechen. Die Ursachen dieser Konflikte wurden nur übertüncht, aber nicht gelöst. Zudem weiss Trump nicht einmal, welches die Parteien in den Konflikten sind, die er gelöst haben will. Immer wieder sprach er von den Auseinandersetzungen zwischen «Aserbeidschan und Albanien». Der Konflikt besteht aber zwischen Aserbeidschan und Armenien.

Da erinnern wir uns auch an Trumps Aussage, er werde den Ukraine-Krieg in 24 Stunden lösen. Doch der Krieg tobt weiter, immer schlimmer, und Trump lässt sich von Putin vorführen und über den Tisch ziehen wie ein kleiner Schuljunge. Putin reagiert nur auf Härte. Hätte Trump von Anfang an eine harte Haltung gegenüber dem Kreml-Diktator gezeigt, hätte er von Anfang an Waffen geliefert, wäre der Krieg vielleicht eingegrenzt worden. Aber Trump tat das Gegenteil, er stoppte amerikanische Waffenlieferungen, las Selenskyj vor laufenden Kameras die Leviten und begann mit Putin zu flirten. Und damit verlängert er den ohnehin schon blutigen Krieg. Die Krone setzte er dem ganzen auf, als er Putin nach Alaska zum «Friedensgipfel» einlud und damit dem isolierten russischen Präsidenten einen diplomatischen Sieg brachte. Im Ukraine-Krieg ist Trump ein hoffnungsloser Versager. Soll ein solcher Mensch mit dem Friedensnobelpreis geehrt werden?

In jahrzehntelanger mühsamer Arbeit haben nach dem Zweiten Weltkrieg Zehntausende Diplomaten aus aller Welt ein internationales Regelwerk, internationale Abkommen und Verträge ausgearbeitet, um die Welt ein wenig sicherer und humaner zu machen. Im Mittelpunkt standen humanitäre Vereinbarungen, Menschenrechts- und Rüstungsfragen. Trump ist jetzt dabei, dieses Regelwerk, das doch etwas Frieden und Sicherheit brachte, über Bord zu werfen. 

Ebenso ist er dabei, die humanitäre Hilfe für jene, die am meisten Not leiden, zu kappen. Internationale Organisationen, so bürokratisch sie organisiert sein mögen und so hilflos sie oft sind, haben doch Millionen von Menschen zum Überleben verholfen und vielen etwas Hoffnung gebracht. Längerfristig ist das Friedenssicherung. Verdient einer den Friedensnobelpreis, der internationale friedensfördernde Massnahmen mit Füssen tritt? 

Zudem hat Trump mit seiner irrwitzigen Zollpolitik, seiner undurchdachten fahrlässigen Aussenpolitik und seiner menschenverachtenden Migrationspolitik die halbe Welt in Aufruhr gebracht. Hunderte Millionen Menschen leiden darunter. Zehntausende Firmen gehen in Konkurs. Verdient ein solcher Mann den Friedensnobelpreis? Im Testament von Alfred Nobel vom 27. November 1895 heisst es, jemand soll ausgezeichnet werden, «der sich besonders für die Verbrüderung der Völker, die Abschaffung oder Reduzierung von Armeen sowie den Frieden eingesetzt hat». Gehört es zur Verbrüderung der Menschen, wenn ein amerikanischer Präsident Grönland, Kanada und den Panamakanal annektieren will?

Schon früh wiesen die Schwedische Akademie und das norwegische Nobelkomitee darauf hin, dass der Preis an charakterlich integre Personen verliehen werden soll, die eine Vorbildfunktion für andere erfüllen.

Trump, der Lügner, der beschuldigte Vergewaltiger – er soll ein Vorbild sein? Als erster ehemaliger US-Präsident wurde er am 31. Mai 2024 von einer New Yorker Jury wegen schwerer Straftaten verurteilt. Ihm wurde vorgeworfen, durch Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin illegal Einfluss auf die Wahl 2016 genommen zu haben. 

Mary L. Trump, die Nichte des Präsidenten, beschreibt ihren Onkel als «ein zutiefst gestörtes Individuum», dessen Verhalten und psychologische Probleme durch eine dysfunktionale Familie noch verstärkt wurden. Wegen seines psychologischen Zustands sei er unfähig, «als verantwortungsvoller und empathischer Führer zu agieren». Sie sieht ihn als jemand, der von Macht, Kontrolle und der Bestätigung seiner eigenen Überlegenheit besessen ist, was ihn ihrer Ansicht nach zu einem gefährlichen Präsidenten macht.

Er, der täglich Irres von sich gibt und dessen Vokabular aus 250 Wörtern besteht, er der «orange Clown», wie ihn seine Gegner in Anspielung auf seine gefärbten Haare nennen, er, der Egozentriker der nur seine Meinung duldet und alle mit Hass übergiesst, die nicht seiner Ansicht sind, er, der alle entlässt, die ihn nicht streicheln – ein solcher Mann glaubte, eines Friedenanobelpreises würdig zu sein.

Während Tausende Politiker, Diplomaten und Wirtschaftskapitäne vor dem Psychopathen in die Knie gehen und ihn anbetteln, haben immerhin die norwegischen Nobelpreis-Leute widerstanden und Charakter gezeigt. Gelobt seien sie! 

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