Vorläufig aufgenommenen Asylsuchenden wird die Arbeitssuche erschwert und so steigen die Kosten für die Sozialhilfe. Wollen wir das?
Die Sondersession Asyl im Ständerat und im Nationalrat hat diese Woche drei Verlierer geschaffen: vorläufig aufgenommene Asylsuchende, die Wirtschaft und die Kantonsfinanzen. Der Reihe nach: In beiden Räten sind gleichlautende Motionen der SVP behandelt und gutgeheissen worden. Das Parlament will, dass vorläufig Aufgenommene zehn Jahre warten müssen, bis sie ein Gesuch um eine Aufenthaltsbewilligung einreichen dürfen. Bisher ist das nach fünf Jahren möglich. Die SVP glaubt, fünf Jahre stellten einen Anreiz dar, einfach in der Schweiz zu bleiben, denn so erhalte man schon eine Bewilligung.
Es ist besser, wenn Asylsuchende nicht herumhängen
Bundesrat Beat Jans bestritt den von der SVP genannten Anreiz. Er erachtet diese Verlängerung auf zehn Jahre als falsch. Nach fünf Jahren Aufenthalt kann ein vorläufig aufgenommener Asylsuchender eine Aufenthaltsbewilligung beantragen. Es ist der Kanton, erläuterte der Bundesrat, der das Gesuch genau prüft und erst einen Antrag um Bewilligung nach Bern schickt, wenn es sich um einen wirklichen Härtefall handelt. Wer eine Aufenthaltsbewilligung besitzt, findet leichter eine Stelle. Der Vorteil: Die Person wird finanziell selbständig und bezieht keine Sozialhilfe mehr, sie ist schon in unserem Land, die Zahl der Arbeitskräfte steigt, die Zahl der Menschen in der Schweiz bleibt hingegen unverändert.
Gegenwärtig befinden sich über 40’000 vorläufig aufgenommene Asylsuchende in der Schweiz. Wenn alle noch weitere fünf Jahre warten müssen, bis sie eine Aufenthaltsbewilligung erhalten können, haben sie grosse Schwierigkeiten, eine Arbeit zu finden. Sie werden allenfalls als Schwarzarbeiter beschäftigt oder hängen herum und beziehen Sozialhilfe, was für die Bevölkerung ein Ärgernis ist. Deshalb bat Bundesrat Jans die Parlamentarierinnen und Parlamentarier diese Motion, die keine Lösung bringt, abzulehnen. Die Argumente des Bundesrats fanden kein Gehör. Im Ständerat wie im Nationalrat unterstützten SVP, FDP und die Mitte geschlossen die entsprechenden Vorstösse. Auch im Ständerat stimmten einzig SP, Grüne und Grünliberale gegen die Verdoppelung der Frist auf zehn Jahre.
Status S fast abgelehnt
Die weiteren drei SVP-Motionen wurden alle abgelehnt. Die erste verlangte, dass die Schweiz wie Schweden und Dänemark Asyl nur befristet gewähre. Bundesrat Jans argumentierte, dass einerseits falsche Zahlen benützt würden und ein grosser administrativer Aufwand entstünde. Die zweite Motion von Esther Friedli (SG) verlangt, dass das Resettlement ausgesetzt werde. Es handelt sich dabei um Menschen, die einen besonderen Schutz nötig haben: Kinder, kranke Menschen und Familien. Sie wurden von der Uno als Flüchtlinge anerkannt, haben aber weder in ihrer Heimat noch dort, wo sie Zuflucht gesucht haben, ein sicheres Leben.
Seit April 2023 sind in der Schweiz keine dieser Flüchtlinge aufgenommen worden. In Absprache mit Kantonen und Städten sei im Oktober – so Bundesrat Jans – die Aufnahme von 49 Personen geplant. In den Jahren 2026 und 2027 würden höchstens je 400 Resettlement-Flüchtlinge in die Schweiz kommen, sofern es die Situation im Asylwesen erlaube. Im Ständerat wurde der Vorstoss Friedli mit 23 zu 21 Stimmen knapp abgelehnt. Mit SP und Grünen stimmten die Mitte und die Grünliberalen. Im Nationalrat war die SVP jedoch allein, sie erhielt nur eine Stimme der FDP, die Mehrheit der FDP wie alle anderen Parteien versenkten die Motion mit 124 zu 64 Stimmen. Die Abschaffung des Schutzstatus S (für Flüchtlinge aus der Ukraine) wurde ebenfalls klar abgelehnt mit 37 zu 8 Stimmen im Ständerat, mit 106 zu 85 Stimmen im Nationalrat.
Jositsch hofft auf konstruktive Diskussion
Im Ständerat stellte Daniel Jositsch (SP, ZH) fest, dass es sich bei den Motionen der SVP um Einzelmassnahmen handle, die nichts wirklich lösten. Er lehne alle Motionen ab, doch er spüre auch, dass in der Bevölkerung im Bezug zur Asylfrage ein Unbehagen bestehe. Die sich gegenüberstehenden Fronten führten nicht zum Erfolg. Jositsch gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass wieder ein konstruktiver Dialog begonnen werde.
Es ist ausserordentlich: Im Ständert, der sich gerne als Chambre de réflexion versteht, verlangt die SVP fast in jeder ordentlichen Session eine ausserordentliche Session zum Thema Asyl. So werden früher abgelehnte Forderungen der grössten Partei immer wieder neu diskutiert und fast immer abgelehnt. Erstaunlich ist, dass dieser Leerlauf von Ständeräten kaum beanstandet wird.
Ausserordentlich ist überdies, dass die Liberalen, die im jungen Bundesstaat das Asyl gepflegt haben, es heute, vor allem im Nationalrat, einschränken wollen und mit der populistischen SVP stimmen, wie zum Beispiel bei der Aufhebung des Schutzstatus S und der Fristverlängerung für vorläufig Aufgenommene, um ein Gesuch für eine Aufenthaltsbewilligung zu stellen. In diesem Fall stimmte auch die Mitte zu. Massnahmen zur Eingliederung von Menschen, die hier leben, und die wegen Kriegen oder diktatorischen Regimen nicht in ihre Länder zurückkehren können, scheitern öfters im Parlament. Es scheint, dass konstruktive Lösungen im Asylbereich nur noch auf die Unterstützung einer Minderheit zählen können, den Sozialdemokraten, den Grünen und den Grünliberalen.