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Kommentar 21

Böse Gentrifizierung

25. Februar 2016
Urs Meier
Das Schlagwort beschreibt nur, was man auch Stadtentwicklung nennt. Zur politischen Parole taugt es nicht.

Wie im 18. Jahrhundert die Gentry, der niedere Adel, vom Rand englischer Städte in deren Zentren zog und dort ärmere Bewohner verdrängte (daher das Wort Gentrifizierung), so kommt es auch heute zu sozialen Umschichtungen oder Neubesiedlungen in Stadtteilen, die irgendwann attraktiv und teuer werden. Verschiedene Ursachen können dazu führen: Wohnungsnachfrage finanzstarker Zuzüger, politisch geplante Stadterneuerung, Investitionsentscheide grosser Immobilienbesitzer oder auch die eigenartig schillernde Anziehungskraft eines Trendquartiers.

Wer seine günstige Wohnung im lebhaft-pittoresken Stadtviertel wegen Sanierung oder Neubau des Hauses verlassen muss, sieht sich begreiflicherweise als Opfer. Gentrifizierung ist deshalb das schärfste Reizthema in der Auseinandersetzung um Fragen der Stadtentwicklung. Weil diese von vielen Kräften bewegt wird, sind die Urheber sozialer Verdrängungen meist nicht eindeutig feststellbar. So bietet sich als Prügelknabe «das System» an, mit dem man sich dann ideologisch auseinandersetzt.

Städte sind hochkomplizierte Organismen. Ihre Entwicklung kann stimuliert, teilweise geplant, aber nie komplett gesteuert werden. Äussere Einflüsse wie Gang der Wirtschaft, Verkehrsplanung, Binnenwanderung und Migration wirken auf Städte ein. Dennoch laufen die Prozesse niemals alle in die gleiche Richtung: Das eine Viertel wird zügig oben positioniert; in einem anderen wird kaum mehr gross investiert. So verliert es zunächst an Reiz, wird aber danach vielleicht zum neuen Soziotop der Alternativkultur und des sozialen Experiments.

Gentrifizierung ist das Schlagwort des ideologisierten Protests. Es steht für eine politische Froschperspektive, in der urbane Verwandlungen als Bedrohung und nur mit Blick auf das einzelne Quartier wahrgenommen werden. Sicher muss in Zukunft noch mehr dafür getan werden, dass es auch in grossen Städten genügend bezahlbare Wohnungen für alle gibt. Ein politisch erzwungener Stopp urbaner Veränderungen würde jedoch dazu nichts beitragen, sondern die Probleme nur perpetuieren und verschärfen.

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