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Zwischenruf

Ariel Sharon im Koma - eine Skulptur

24. Oktober 2010
Journal21
Eine lebensgrosse Skulptur, die den im Koma liegenden Ariel Sharon zeigt, hat in Israel eine heftige Kontroverse ausgelöst. Die Skulptur des israelischen Künstlers Noam Braslavsky soll laut Angaben der BBC ab Donnerstag in einer Gallery in Tel Aviv gezeigt werden.

Sharon trägt ein blaues Pyjama, hat offene Augen, ist an einen Tropfenschlauch angeschlossen und scheint zu atmen. Der einstige israelische Ministerpräsident liegt seit 2006 im Koma und wird künstlich am Leben erhalten.

Die Idee, den Todkranken öffentlich abzubilden, scheint zunächst geschmacklos. Doch der Künstler verteidigt sie. Er habe ein Recht darauf, an diese öffentliche Person zu erinnern, um die Auseinandersetzung mit ihr anzuregen, sagt er.

Der Kurator der Galerie fügt hinzu, die animierte Skulptur sei ein Symbol für die Politik Israels. Diese Politik scheine sichtbar und scheine zu leben. Doch in Wirklichkeit sei sie nicht mehr sichtbar und vermöge nicht mehr zu leben und sich nicht mehr zu bewegen.

Für einen Nicht-Israeli sind solche Worte vielleicht unverständlich. Hier der Versuch einer Interpretation: Sharon hatte eine Idee und ein Konzept. Er wollte ein "Grossisrael" schaffen, das bis zum Jordan reicht. Das Haupthindernis waren die Palästinenser, die dort leben.

Dieses Hindernis kann man - laut Sharon - umgehen. Er wollte eine Art Bantustans schaffen: Homelands, in denen die Palästinenser unter israelischer Oberaufsicht leben - solange sie dabei Israel nicht stören. So kann man sie auch - im Bedarfsfall - leicht bestrafen.

Die übrigen besetzten Gebiete würden dann von den Israeli besiedelt. Zum Teil hat Sharon sein Konzept verwirklicht. Gaza wurde 2005 nach dem Abzug der – wenigen – israelischen Siedler das erste Bantustan. Bestraft wurden die Palästinenser im Gaza-Streifen erstmals 2009.

Mit dem Bau der Mauer, auch Sicherheitszaun genannt, wollte Sharon sein Bantustan-Konzept weiter verwirklichen. Jetzt sollten die im Westjordanland lebenden Palästinenser eingezäunt werden.

Dann wurde Sharon vom Schlag getroffen.

Seine Idee wurde zunächst von der Regierung Omert und dann von Ministerpräsident Netanyahu systematisch und unbeugsam weiter verfolgt. Ein neues Konzept gibt es in israelischen Regierungskreisen bisher nicht.

Vielleicht muss man für schuldbewusste Europäer und naive Amerikaner noch hinzufügen: Es gibt natürlich eine israelische Diplomatie. Es gibt auch Public Relations-Institutionen, deren Aufgabe es ist, die Idee vom "Grossisrael" zu verkleiden. Nach aussen soll es so aussehen, als wolle Israel lieber den Frieden als ein Grossisrael - nur: die bösen Palästinenser würden den erwünschten Frieden stets boykottieren.

Der Kurator der Ausstellung sagte, die jetzt gezeigte Skulpur sei eine "Allegorie für die Trägheit der israelischen Politik". "Sharon atmet noch immer, sein Herz schlägt noch immer - wie die israelische Politik. ... Er hat offene Augen, die nicht sehen können". Ein Freund Sharons, der die Skulptur besichtigte, sagte: "Ich habe ein persönliches Problem mit diesem sehr, sehr einzigartigen Kunstwerk".

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