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Kommentar21

Wenn Recht gegen Recht steht

1. Februar 2015
Klara Obermüller
Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Darin sind sich alle einig. Dissens jedoch besteht dann, wenn es darum geht zu entscheiden, ob und, wenn ja, wo ihr Grenzen zu setzen sind.

Was haben der Holocaust-Leugner Robert Faurisson und der türkische Nationalist Dogu Perinçek mit dem Komiker Dieudonné und den Zeichnern von „Charlie Hébdo“ gemeinsam? Sie alle berufen sich auf die Meinungsfreiheit, wenn sie Fakten als Lügen bezeichnen und Verunglimpfungen als Humor ausgeben. Meinungsfreiheit ist ein hehres Gut, Meinungsfreiheit hat aber meines Erachtens auch Grenzen. Sie verlaufen dort, wo verleumdet, verleugnet, verunglimpft wird. Sie verlaufen dort, wo durch das Leugnen des Holocaust oder des Genozids an den Armeniern die Integrität der Opfer noch einmal verletzt wird. Sie verlaufen dort, wo Rassenhass geschürt und religiöse Gefühle in den Dreck gezogen werden. Auch diese Grenzen gilt es zu schützen, zum Beispiel durch das Antirassismus-Gesetz, das klar definiert, was strafbar ist und was nicht.

Wie es ausgelegt wird, das allerdings liegt im Ermessen der Richter, die jeweils entscheiden müssen, was sie höher gewichten: das Recht auf Meinungsfreiheit oder das Recht auf Schutz der Menschenwürde. Faurisson zum Beispiel ist rechtskräftig verurteilt. Auch Dieudonné stand wegen judenfeindlicher Äusserungen schon mehrfach vor Gericht. Der Fall des Türken Perinçek ist zur Zeit vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg hängig. Nur gegen das Satiremagazin „Charlie Hébdo“ verliefen bis jetzt alle Klagen im Sand. In Sachen Meinungsfreiheit bewegen sich die Gerichte in einer Grauzone. Das trägt ihnen bisweilen den Vorwurf ein, mit zweierlei Ellen zu messen.

Meinungsfreiheit gilt unbedingt, sagen die einen, Menschenfreiheit hat Grenzen, sagen die andern. Letztlich muss jeder, der sich frei äussert, selber wissen, wie weit er zu weit gehen will. Er sollte dabei allerdings auch überlegen, ob er die Verantwortung für die Folgen seines Entscheids übernehmen kann. Bei den Attentaten von Paris sind 15 Menschen ums Leben gekommen. Für die Mitarbeiter von „Charlie Hébdo“ gingen Hunderttausende auf die Strasse, die Beileidsbekundungen für die Opfer im koscheren Supermarkt hielten sich, verglichen damit, in Grenzen. Könnte es sein, dass nicht nur die Richter, sondern auch die Demonstranten bisweilen mit zweierlei Ellen messen?  

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