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Kommentar 21

Volkes Stimme

22. Februar 2016
Stephan Wehowsky
Das "Volk" kann entgleisen und zum Pöbel werden.

Sachsens Ministerpräsident Tillich hat jetzt diejenigen seiner Landsleute als Verbrecher bezeichnet, die am Wochenenden grölend vor brennenden Flüchtlingsheimen ihren Hass zum Ausdruck brachten. Dieser Mob sagt aber von sich: „Wir sind das Volk“. Damit greift er die Parole auf, die das Ende der DDR herbeigeführt hat.

Auf ihre Weise benutzt auch Kanzlerin Merkel dieses Wort, wenn sie sagt: „Wir schaffen das.“ Denn sie sieht in der gelungenen Wiedervereinigung die Vorlage für das Gelingen der Integration der Flüchtlinge, und wenn sie „wir“ sagt, klingt der Bezug auf die damalige Parole am Ende der DDR an.

Wir haben also zwei Gesichter des Volks: das Gesicht des ressentimentgeladenen Volks, das sich bei Pegida zusammenrottet und auch schon mal auf Flüchtlinge und ihre Unterkünfte losgeht, und jene, die für Freiheit und Selbstbestimmung eintraten. Das Verstörende daran ist aber, dass es sich nicht um zweierlei Volk handelt, das man fein säuberlich trennen könnte.

Man könnte darüber spekulieren, ob sich jetzt die unselige deutsche Vergangenheit zurückmeldet, aber das bringt nicht viel. Schliesslich gibt es übelsten Populismus auch anderswo – in Ost und West. Vielmehr sollten Parteien und Politiker sich wieder angewöhnen, „das Volk“ nicht mehr als blosse Konsumenten zu betrachten, denen sie möglichst viel versprechen, sondern als mündige Bürger, denen auch etwas abverlangt werden kann und muss. Wer keinen Kompass hat und immer nur den Weg des geringsten Widerstands geht, muss sich nicht wundern, wenn er sich im Sumpf wiederfindet.

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