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Kommentar 21

Theatermacht

15. Februar 2018
Christoph Kuhn
Jetzt ist die in Zusammenhang mit der „me too“-Debatte aufgeworfene Macht-Frage im Theater angekommen. Da gehört sie auch hin.

Das Theater (und das subventionierte Stadttheater ganz besonders) sind Institutionen, in denen Allmacht und Machtmissbrauch gewichtige Rollen spielen. Seit eh und je. Die Ausübung des Schauspielerberufs im Ensemble (so es das noch gibt) eines Stadttheaters erweist sich für diejenigen, die nicht immer zuvorderst im Rampenlicht stehen, als fragil und prekär. Gross ist die Abhängigkeit von Intendant und Regisseur, was diese nicht selten dazu verleitet, ihre Macht hemmungslos auszuüben. Das Theater verändert sich, passt sich dem Zeitgeist an, aber das Machtgefälle zwischen Leitungsteam und Ausführenden hat sich eher noch akzentuiert.

Warum bleibt das so? Einer der es wissen muss, der 80-jährige, schon fast legendäre Peter Stein, hat kürzlich in einem „Tages Anzeiger“-Interview eine überraschende Antwort gegeben. Er, der sich als junger Bühnenrebell für die Mitbestimmung der Schauspieler einsetzte und für seine textkritischen, aber werktreuen Inszenierungen berühmt ist, glaubt, dass der übersteigerte Machtanspruch vieler Regisseure zu einer Entmündigung des Schauspielers führt. Das habe mit der Tatsache zu tun, dass die eigentliche Theaterliteratur, die Stücke, immer weniger ernst genommen würden. Man verzerrt sie mit Fremdmaterial, dekonstruiert sie. Oder man ersetzt sie durch theatralisierte Romanfassungen, wobei Regisseur und Dramaturg zu Autoren oder Mitautoren avancieren, die über die alleinige Deutungshoheit verfügen. Früher, so Stein, sei der Regisseur ein Vermittler gewesen; er und der Schauspieler hätten sich gleichermassen bemüht, einer dritten Instanz, dem zu interpretierende Stück, gerecht zu werden.

Das als gefertigtes Produkt und nicht als Materialsammlung ernst genommene Stück (eine Art Handelsware zwischen Schauspieler und Regisseur) festigt die Stellung des ersteren, weil er sich auf etwas Festgeschriebenes berufen kann, und zwingt letzteren dazu, sein Prozedere, seine Absichten und Einfälle zu erläutern, statt sie mit einem donnernden „Ich will das so“ diktatorisch zu verordnen. Das wäre doch eine begrüssenswerte Ausbalancierung der Interessen. Oder nicht?

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