Direkt zum Inhalt
  • Politik
  • Kultur
  • Wirtschaft
  • Gesellschaft
  • Medien
  • Über uns
close
Schweizer Film-Tycoon

Filmproduzent Arthur Cohn gestorben

12. Dezember 2025 , Paris
Patrick Straumann
Patrick Straumann
Arthur Cohn
Arthur Cohn in seinem Basler Büro im Jahr 2000 (Foto: KEYSTONE/Martin Ruetschi)

Der Schweizer Filmproduzent Arthur Cohn ist im Alter von 98 Jahren in Jerusalem gestorben. Er wuchs in Basel auf, wo er auch als Journalist tätig war. Als Filmproduzent gewann er insgesamt sechs Oscarpreise. Zu seinen bekanntesten Filmen zählen «Il giardino dei Finzi Contini» und «One Day in September». 

Arthur Cohn war eine Ausnahmeerscheinung in seinem Berufsstand, ein Produzent «ungewöhnlicher Filme mit unbekannten Schauspielern», wie er zu sagen pflegte, der allerdings dennoch – aber vielleicht auch deswegen – früh ins Rampenlicht geriet. Die «New York Times» hatte ihn einst als «Maverick» bezeichnet, was man angesichts der Uniformität der in den Studios üblichen Arbeitsprozesse nur als Lob verstehen kann. Mit drei «persönlich» errungenen Oscar-Statuen (und drei Beteiligungen an Oscar-prämierten Filmen) war Cohns Karriere allerdings auch ausgesprochen erfolgreich. 

Erwähnen liessen sich weiter die zwei «Goldenen Bären», die er für «Il giardino dei Finzi Contini» und «Central do Brasil» gewann, ein Lifetime-Achievement-Award, der ihm am Festival von Haifa verliehen wurde, sowie der ihm – als erstem Ausländer – zugesprochene «Star of Fame», der seit 1992 den Hollywood-Boulevard ziert.

Durchbruch mit einem Dokumentarfilm

Als Sohn eines Anwalts und einer Cabaret-Texterin kam Cohn in Basel zur Welt; nach der Matura arbeitete er als Lokalreporter für die «National-Zeitung» (wo er mit Vorliebe auch Beiträge über den FC Basel placierte) und später als Korrespondent für das «Echo der Zeit». Erste Kontakte mit dem Film entstanden im Kino Küchlin, wo er sich gegen eine wöchentlich angefertigte Presseschau Freikarten geben liess. Ein Scriptvorschlag, den er in jenen Jahren der Drehbuchabteilung der «Warner Brothers» zukommen liess, handelte ihm jedoch umgehend eine Absage ein. 

Der Durchbruch an der amerikanischen Westküste gelang ihm mit dem in Neu-Guinea gedrehten Dokumentarfilm «Le ciel et la boue», der sich 1962 bei den Academy Awards überraschend durchsetzen konnte. Die Liste seiner folgenden Erfolge zeugt auch von der stilistischen Bandbreite seiner Produktionen: Richard Dembos Spielfilm «La diagonale du fou» zelebrierte die Figur des individuellen Genies, die Dokumentation «One Day in September» (1999) kam auf die Münchner Geiselnahme anlässlich der Olympischen Sommerspiele 1972 zurück. Als dramatisch effizient in dieser Evokation des Attentats erwies sich insbesondere die Entscheidung, die Protagonisten der Ereignisse vor die Kamera zu holen und deren Zeugenaussagen mit den damaligen Liveaufnahmen kollidieren zu lassen. Mit Christophe Barratiers Melodrama «Les choristes», das mit Geschick die Nostalgie für die französischen Nachkriegsjahre zu reaktivieren wusste, hatte er bewiesen, dass seine Intuition für populäre Stoffe auch in den 2000er Jahren noch intakt war. 

Vittorio de Sico als Mentor 

Auf die Frage nach seiner beruflichen Prägung pflegte Cohn stets seine Begegnung mit Vittorio de Sica zu erwähnen. Den italienischen Neorealisten, mit dem er vor «Il giardino dei Finzi Contini» bereits den Episodenfilm «Sette Volte Donne» gedreht hatte, betrachtete er als seinen eigentlichen Mentor. Dessen Credo, ein Film müsse stets an Originalschauplätzen gedreht werden, sollte er in der Folge konsequent übernehmen – meist ungeachtet der Frage, ob daraus eventuell Mehrkosten entstehen könnten.

Ebenso viel Aufmerksamkeit widmete er jeweils auch den Entwicklungs- und Endphasen seiner Projekte. Nicht selten arbeitete er Jahre an einem Drehbuch; auch im Schneideraum verbrachte er oft Monate, bis er seine Produktionen dem Verleih überantwortete. Berüchtigt blieb sein Neuschnitt von Jean-Jacques Annauds Erstinszenierung «La victoire en chantant»: Nachdem die Kolonialsatire 1976 nach einem anfänglichen Misserfolg nach kurzen Wochen von den Pariser Leinwänden verschwunden war, vermochte er dem Film dank einer neuen Montage (und einem neuen Titel: «Noirs et blancs en couleurs») zu weltweiter Beachtung und einem Oscar für den besten fremdsprachigen Film zu verhelfen.

Perfektion und Enthusiasmus 

Zweifellos war es diese zu Obsession neigende Detailversessenheit, die seinen Produktionen ihren entscheidenden Schliff verliehen. Was ihn von seinen bisweilen als «Kaufleute» abgekanzelten Kollegen unterschied, war ein Wille zur Perfektion sowie ein die Projekte überdauernder Enthusiasmus, der sich mit verblüffender Konstanz oft auch in lebenslangen Freundschaften niederschlug. Von Al Pacino über Steven Spielberg bis zur Familie Douglas war er stets von Hollywoodgrössen umgeben, die nicht nur seinen langen Atem, sondern auch seine aufmerksame Präsenz zu schätzen wussten. 

Im sozialen Umgang kam ihm vermutlich auch seine äussere Erscheinung zugute: Mit seiner hohen Stirn, dem «hundstraurigen» (Ernst Beyeler), aber stets warmen Blick und den breiten, in gewagten Farben gehaltenen Krawatten hätte er auch eine jener windigen Gestalten spielen können, die in den frühen Filmen von Woody Allen die Bürgersteige des Broadways bevölkerten. Dieses öffentliche Bild wird allerdings wiederum der Zielsicherheit kaum gerecht, mit der er seine Themen aussuchte: dass er etwa dem Schweizer Film ostentativ fernblieb, lag an seiner Einschätzung, dass das hiesige Filmschaffen nie genügend «grosse» Geschichten erzähle, um sowohl «eine Familie in Arizona als auch das städtische Publikum von Miami» interessieren zu können.

Zwischen Rhein und Hollywood 

Wobei die nationale Zugehörigkeit für Cohn allerdings wohl ohnehin nicht erstrangig war. Prägend für Werk und Haltung war zunächst sein jüdisches Elternhaus, dem er, wie er oft betonte, «Wurzeln und Weltbild» verdankte; dem Nahen Osten und Israel hatte er vor seiner Karriere als Produzent auch je eine Buchpublikation gewidmet. Stark fühlte er sich aber auch seiner Heimatstadt und deren humanistischer Tradition verpflichtet: So liess er etwa die Vorpremiere von «The Etruscan Smile» im Basler Musical Theater abhalten, auch seine Geschäfte tätigte er bis zuletzt zwischen dem Rhein und Hollywood.

War es die überschaubare Topographie seiner Geburtsstadt, die sein Bewusstsein für die Faszinationskraft der filmischen Sprache schärfte? Er war jedenfalls bereits über achtzig, als er den Studenten der New York Film Academy vom Glücksgefühl erzählte, das er empfand, als er anlässlich einer Reise durch Venezuela auf eine seiner Produktionen stiess: «ein Film, von einem Basler produziert, der Jahre später in einem Dorf in der Nähe von Caracas zu seinem Publikum findet …»

Letzte Artikel

Das Jahr in Bildern

12. Dezember 2025

Im Bann des Generalstreiks

Thomas Fischer 11. Dezember 2025

Vor einem Berg ungelöster Probleme

Ignaz Staub 11. Dezember 2025

Luzern – Hauptstadt Europas für einen Tag

Daniel Woker 11. Dezember 2025

George Smiley ist wieder da

Rolf App 11. Dezember 2025

«Dirty deal» oder «filthy deal» zum Ukraine-Krieg?

Reinhard Meier 11. Dezember 2025

Newsletter abonnieren

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Abonnieren Sie den kostenlosen Newsletter!

Zurück zur Startseite
Leserbrief schreiben
Journal 21 Logo

Journal 21
Journalistischer Mehrwert

  • Kontakt
  • Datenschutz
  • Impressum
  • Newsletter
To top

© Journal21, 2021. Alle Rechte vorbehalten. Erstellt mit PRIMER - powered by Drupal.