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Ukraine Tag 18

35 Tote bei Angriff nahe der polnischen Grenze

13. März 2022 , wird laufend aktualisiert
Jaworiw, Verletzter
Ein Verletzter des Angriffs auf Jaworiw wird ins lokale Spital in Novoiavorisk gebracht. (Foto: Keystone/AP/Bernat Armangue)

Der Angriff auf einen Militärstützpunkt nahe der westukrainischen Stadt Lwiw bringt den Krieg nahe an die polnische Grenze. Mehr als 30 Raketen sind am Sonntagfrüh auf das Militärzentrum Jaworiw abgefeuert worden. Nach Angaben des Gouverneurs der Region Lwiw, Maksym Kozytsky, wurden mindestens 35 Menschen getötet und 134 verletzt. In dem Zentrum wurden laut einem ukrainischen Militärbeamten etwa tausend ausländische Kämpfer für den Krieg gegen Russland ausgebildet. Die Ausländer trainieren als Teil der neuen «Internationalen Legion», die auf der Seite der ukrainischen Armee kämpft. Das «Internationale Friedens- und Sicherheitszentrum» befindet sich 25 Kilometer von der Grenze entfernt. Später wurden auch Angriffe rund um die Stadt Lwiw selbst gemeldet.

Über die Grenze bei Lwiw werden ausländische Waffen in die Ukraine gebracht. In Lwiw (deutsch: Lemberg) leben 730'000 Menschen. Täglich treffen dort Tausende Flüchtlinge ein, die über die nahe polnische Grenze gelangen wollen.

Der ukrainische Verteidigungsminister Oleksiy Reznikov bezeichnete den russischen Raketenangriff auf Jaworiw als «terroristischen Akt». Er wiederholte die Forderung seiner Regierung an die Nato, eine Flugverbotszone über dem Land einzurichten.

Russland hatte am Samstag den Westen gewarnt, dass die Waffen, die der Ukraine geliefert würden, als «legitimes Ziel für russische Angriffe» betrachtet würden. Vor dem Krieg wurde der Stützpunkt Jaworiw von der Nato für die Ausbildung des ukrainischen Militärs genutzt. Soldaten der USA, Grossbritanniens, Kanadas, Polens, Lettlands und anderer Verbündeter hatten auf dem Stützpunkt gearbeitet. Hier wurden auch Blauhelmkräfte von Nato-Ausbildnern für Friedensmissionen geschult.

«Frustrierte Russen»

In der NBC-Sendung «Meet the Press» am Sonntag bezeichnete der nationale Sicherheitsberater von Präsident Biden, Jake Sullivan, den Angriff als ein Zeichen dafür, dass die russischen Streitkräfte ihre Ziele in der Ukraine ausweiten, weil sie «frustriert sind, weil sie nicht in der Lage sind, einige der grossen Städte einzunehmen» und ihre Ziele nicht erreichen konnten.

Mehrere tausend Amerikaner in der «Internationalen Legion»

Seit Kriegsbeginn werden hier ausländische Kämpfer, die sich freiwillig für den Kampf gemeldet haben, ausgebildet. Nach Angaben der ukrainischen Regierung haben sich rund 20’000 Menschen aus der ganzen Welt für die im Entstehen begriffene «Internationale Legion» gemeldet. Darunter befinden sich nach vertraulichen amerikanischen Angaben mehrere tausend Amerikaner.

«Wir warten auf eine neue Offensive»

Die Ukraine bereitet sich auf eine russische Offensive auf die Hauptstadt Kiew vor. Markian Lubkivsky, ein Berater des ukrainischen Verteidigungsministeriums, erklärte am Sonntag: «Wir warten, dass der Aggressor in die Stadt eindringt.» Doch: Der Präsident, die Regierung und Parlament würden in der Stadt arbeiten. «Der Aggressor wird es nicht leicht haben, nach Kiew zukommen.»

Soll Kiew ausgehungert werden?

Die ukrainische Regierung schliesst nicht aus, dass Russland die Hauptstadt Kiew von der Aussenwelt abschnüren und aushungern will. Walentin Mondrijiwskij von der Stadtverwaltung sagte, die Vorräte, die in der Stadt angelegt seien, würden für die zwei Millionen Kiewer, die nicht geflohen sind, für zwei Wochen ausreichen. Kiew zählte vor dem Krieg knapp drei Millionen Einwohner. Witali Klitschko, der Bürgermeister der Stadt, hatte kürzlich erklärt, fast jeder zweite Kiewer habe die Stadt verlassen.

Mindestens 2'187 Tote in Mariupol

Der Bürgermeister von Mariupol erklärt, die Kämpfe um seine Stadt hätten bisher 2'187 Tote gefordert. Allein in den letzten 24 Stunden seien etwa hundet Bomben abgeworfen worden. Die Russen würden bewusst zivile Einrichtungen angreifen, unter anderem Wohngebäude. Russland sagt, es würden einzig militärische Ziele attackiert.

Satellitenbilder (siehe oben) zeigen eine weitgehend zerstörte Stadt. Die Hoffnung, dass es am Sonntag gelingen wird, «humanitäre Fluchtwege» für die 300’000 Eingeschlossenen zu errichten, sind gering. Ein weiterer Versuch war am Samstag gescheitert. Die Zugangsstrassen sind vermint und Hilfskonvois werden beschossen.

Médecins sans frontières hatte am Samstag aus Mariupol berichtet, dass die Nahrungsmittel in der Stadt ausgehen. Es fehlt auch an sauberem Wasser und Medikamenten. «Wir haben Menschen gesehen, die aufgrund von Medikamentenmangel gestorben sind, und es gibt viele solcher Menschen in Mariupol, und viele Menschen, die getötet und verletzt wurden, und sie liegen einfach auf dem Boden, und die Nachbarn graben einfach ein Loch in den Boden und legen ihre Leichen hinein», sagte der Mitarbeiter in Mariupol in einem Gespräch mit Médecins sans frontières. 

Getötete Kinder

Mindestens 85 Kinder sind bei den Kämpfen in der Ukraine ums Leben gekommen, fast 100 wurden verwundet. Das teilte das Büro des ukrainischen Generalstaatsanwalts am Sonntag unter Berufung auf Daten der Jugendstaatsanwaltschaft des Landes mit.

Mariupol, toter Knabe
Ein Vater und eine Mutter bringen ihren schwer verletzten 18-jährigen Knaben in ein Spital in Mariupol. Der Knabe stirbt. (Foto: AP/Evgeniy Maloletka)

Über 100'000 gegen den Krieg

In Deutschland haben am Sonntag nach Angaben der Veranstalter 125'000 Menschen gegen den Krieg demonstriert. In Berlin waren es 60'000, in Frankfurt 12'000, in Hamburg 10'000 und in Leipzig 8'000. Die Polizei setzte die Zahlen etwas niedriger an.

Berlin, Demo
Demonstranten auf der Strasse des 17. Juni vor dem Brandenburger Tor (Foto: Keystone/dpa/Paul Zinken)

Schlachtfeld» Irpin

In Irpin, vor den Toren der Hauptstadt Kiew, lieferten sich ukrainische und russische Truppen am Samstag eine Strassenschlacht. Die Stadt gleicht nach Angaben der «New York Times» einem «Schlachtfeld». Ein russischer Sieg wäre laut Meinung von Militäranalysten zwar keine unmittelbare Bedrohung für die Hauptstadt, würde den Belagerungsring allerdings enger ziehen.

Amerikanischer Journalist getötet

Der bekannte und preisgekrönte amerikanische Journalist und Filmemacher Brent Renaud ist bei einer Reportage in Irpin getötet worden. Dies bestätigt das ukrainische Innenministerium. Der 50-jährige Renaud arbeitete unter anderem immer wieder für die New York Times, NBC und HBO. Irpin ist ein Vorort von Kiew und wird seit Tagen von russischen Streitkräften beschossen. Er habe diesmal eine Akkreditierung der NYT bei sich gehabt, habe aber zur Zeit nicht für die «Times» gearbeitet, erklärt die Zeitung in New York. Renaud war in Irpin, um Flüchtlinge zu filmen. Als er sich mit einem Kollegen in einem Auto nahe der zerstörten Brücke von Irpin befand, wurde er von russischen Soldaten beschossen. Sein Kollege erlitt Verletzungen.

Hastige Flucht

Irpin, Flüchtlingsfrau
Sie ist eben aus der Stadt Irpin geflohen und meldet sich weinend bei einem Kontrollposten in der Hauptstadt. Die meisten Menschen haben die Stadt verlassen. Viele der Geflüchteten konnten nur schnell einige Habseligkeiten mit sich nehmen, verpackt in einer Tasche, einem kleinen Koffer oder einem Rucksack. Die meisten jedoch flüchteten mit ihrem Hund oder ihrer Katze, wie diese Frau. (AP Photo/Vadim Ghirda)

Angriff auf Flüchtlingszug mit hundert Kindern

Ein Zug, der Flüchtlinge ins Ausland bringen sollte, ist in der Ostukraine beschossen worden. Der Schaffner wurde dabei getötet. In dem Zug befanden sich unter anderem etwa hundert Kinder. Die staatliche ukrainische Eisenbahngesellschaft erklärt, man versuche jetzt, einen Ersatzzug zu finden.

Bomben auf Malyn

Auch die Stadt Malyn, 70 Kilometer nordöstlich von Kiew wurde bombardiert. Die wichtigste Brücke auf der Strasse, die über Irpin nach Kiew führt, wurde zerstört.

Malyn
Malyn (Foto: Keystone/EPA/Miguel A. Lopes)

Fällt Sjewjerodonezk?

Die 100’000 Einwohner zählende Stadt Sjewjerodonezk in der ostukrainischen «Volksrepublik Luhansk» wird von pro-russischen Separatisten stark bedrängt. Einheiten der Separatisten seien in die Vororte der Stadt eingedrungen.

«Humanitäres Desaster»

In vielen Städten, die von russischen oder pro-russischen Truppen umzingelt sind, zeichnet sich gemäss einem Rotkreuz-Sprecher ein «humanitäres Desaster» ab. Da und dort gibt es keinen Strom mehr und nicht genügend Medikamente. Sauberes Wasser und Nahrungsmittel werden rat. Zudem würden immer mehr Menschen an psychischen Problemen und Angstzuständen leiden. Betroffen davon seien auch Kinder, die erstmals in ihrem Leben Leichen sähen.

In Frankfurt haben elftausend Menschen gegen den Krieg demonstriert. Demonstrationen fanden auch in Stuttgart, Hamburg und Leipzig statt.

«Alles wird noch schlimmer»

Militäranalysten erwarten, dass die russische Armee wegen ihrer bisher mässigen Erfolge in den nächsten Tagen alles auf eine Karte setzen wird. «Alles wird noch schlimmer», sagte ein amerikanischer Analyst. Auch die Nato erwartet eine weitere Verschärfung der Kämpfe und immer mehr Angriffe auf zivile Ziele. «Wir sehen mit Schrecken die steigenden Zahlen ziviler Opfer und die sinnlose Zerstörung durch die russischen Kräfte», sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg der «Welt am Sonntag». «Die kommenden Tage werden wahrscheinlich noch grössere Not bringen.»

«Rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen ist»

In dem Interview mit der Welt am Sonntag warnt Stoltenberg auch Moskau vor dem Einsatz chemischer Waffen. «In den vergangenen Tagen haben wir absurde Behauptungen über chemische und biologische Waffenlabore vernommen», sagt er. Der Kreml erfände Vorwände mit dem Versuch, zu rechtfertigen, was nicht zu rechtfertigen sei. «Nachdem diese falschen Behauptungen nun aufgestellt wurden, müssen wir wachsam bleiben, weil es möglich ist, dass Russland selbst Einsätze mit chemischen Waffen unter diesem Lügengebilde planen könnte.»

Bürgermeister ersetzt

Der in der südukrainischen Stadt Melitopol von russischen Streitkräften entführte Bürgermeister Iwan Fjodorow ist ersetzt worden. Die pro-russische Abgeordnete Halyna Daniltschenko erklärte in einer Videobotschaft, ein «Komitee der Volksdeputierten» würde künftig die Stadt regieren. Das Portal «The Kyiv Independent» hatte gemeldet, dass sich 2000 Bewohner der Stadt zu einem Protest versammelt hatten und von den Russen die sofortige Freilassung von Fjodorow verlangten. Melitopol mit seinen 15’000 Einwohnern war eine der ersten Städte, die von den Russen besetzt wurden.

 In einer Videobotschaft, die später am Sonntag veröffentlicht wurde, sagte Danilchenko, dass russische Staatsfernsehsender nun in Melitopol ausgestrahlt würden, damit die Menschen «genaue Informationen erhalten» könnten.

Der entführte 33-jährige Fjodorow ist zwar ein ethnischer Russe, bezeichnete jedoch die russischen Angreifer als «Besatzer». Am Freitagmorgen haben ihm russische Soldaten einen Sack über den Kopf gestülpt und ihn aus seinem Büro gezerrt. Seither wurde er nicht mehr gesehen. Er war im Dezember 2020 zum Bürgermeister gewählt worden. Seit Kriegsbeginn klärte er täglich die Stadtbewohner mit Live-Berichten in den sozialen Medien über die Lage in der Stadt auf. Er informierte die Einwohnern darüber, wo sie Lebensmittel und Medikamente kaufen könnten und welche Geldautomaten noch in Betrieb sind. Er warnte immer wieder vor Plünderern.  

Wieder Proteste in Russland

In etwa 20 russischen Städten wird erneut gegen den Krieg in der Ukraine protestiert. Die Polizei nahm laut der Menschenrechtsgruppe OVD-Info mehr als 800 Demonstranten fest. Seit Beginn des Krieges wurden 15'000 demonstrierende Russinnen und Russen verhaftet.

Pro-Putin-Demonstration in Serbien

Einige Tausend Menschen demonstrierten am Sonntag in Belgrad. Auf Autos wurde das «Z» gemalt, das für die russische Armee steht. Überall wehten russische und serbische Flaggen. Porträts von Putin wurden auf Autoscheiben geklebt. Obwohl Serbien Mitglied der EU werden möchte, hat sich das Land geweigert, die russische Aggression zu verurteilen. «Ob das die Aufnahme Serbiens in die EU beschleunigt, wage ich zu bezweifeln», sagte zynisch ein EU-Beamter in Brüssel. Das russische Fernsehen berichtete über die Demonstration in Belgrad.

«Putin hat keine Schraube locker», sagt John Bolton

Der umstrittene frühere Sicherheitsberater von Donald Trump kennt Putin seit zwanzig Jahren. In einem Spiegel-Interview sagt er, er glaube nicht, dass der Kreml-Chef Atomwaffen einsetzen werde. Er glaube auch eher nicht, dass er die ganze Ukraine einnehmen wolle. «Ich habe Putin als kaltblütigen, rationalen Denker kennengelernt, der die nationalen Interessen Russlands im Auge hat. Was rational ist oder nicht, darüber mögen wir im Westen andere Ansichten haben als Putin. Aber das, was er nun in der Ukraine, ist völlig stimmig mit dem, was er immer gesagt hat. Die Rede, die Putin zu Beginn des Krieges gehalten hat und in der er die Ukraine zu einem Teil Russlands erklärt, habe ich so oder ähnlich schon häufig gehört – nicht nur von ihm, sondern von seinem Außenminister Sergej Lawrow. Ich weiss, dass im Moment viele denken, dass Putin eine Schraube locker hat. Ich bin kein Psychologe, aber ich glaube nicht, dass das stimmt.

«Putin kann die Ukraine nicht besetzen»

In Interviews mit dem Spiegel und der Süddeutschen Zeitung sagte der Osteuropa-Experte Ivan Krastev, Wladimir Putin sei gescheitert. Sein Ziel wäre es gewesen, Kiew innerhalb von 48 Stunden zu erobern und Präsident Selenskyj festzunehmen, sagte der Leiter des «Centre for Liberal Strategies» in Sofia. Jetzt werde es immer schwieriger für die russischen Truppen. Es gelinge ihnen ja nicht einmal die russisch geprägte Ostukraine zu kontrollieren. «Selbst dort ist die Bevölkerung viel feindlicher eingestellt als erwartet», sagte er der Süddeutschen Zeitung. Es werde Putin nicht gelingen, die Ukraine zu besetzen.

(Wird laufend aktualisiert)

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