Russische Verbände bereiten einen Grossangriff auf die ukrainische Hauptstadt vor. Laut Nachrichtenagenturen waren in der Stadt mehrere Explosionen zu hören. Russische Soldaten seien bereits in den Norden der Stadt eingedrungen. Anton Heraschtschenko, der Berater des ukrainischen Innenministers, rechnet im Laufe des Freitags mit russischen Panzerangriffen auf die Hauptstadt. Ebenso erwartet man, dass die Russen in den Vororten Fallschirmjäger absetzen werden. «Heute wird der härteste Tag», sagte Heraschtschenko.
In Iwankiw, 80 Kilometer nordwestlich von Kiew, finden nach Angaben des ukrainischen Generalstabs bereits heftige Gefechte statt. Ukrainische Fallschirmjäger kämpfen gegen eine «überwältigende» Zahl russischer Truppen, die mit gepanzerten Fahrzeugen vorrücken. Um den strategisch wichtigen Militärflugplatz Hostomel nordwestlich von Kiew werde noch immer gekämpft.
Der ukrainische Präsident Selenskyj erklärte, er verfüge über Informationen, wonach russsische Sabotageeinheiten in Kiew eingetroffen seien. Er selbst sieht sich als «Ziel Nummer eins» der Russen.
Auch am Freitagvormittag griffen russischen Kampfflugzeuge und Kampfhelikopter mehrere ukrainische Städte an.
«Wir sind allein»
«Heute verteidigen wir unseren Staat allein», sagte Präsident Selenskyj. «So, wie wir es gestern getan haben.» Die vom Westen verhängten Sanktionen nützten nichts. «Haben die gestrigen Sanktionen Russland überzeugt?», fragte er rhetorisch. Die mächtigsten Nationen der Welt würden nur aus der Ferne zuschauen. Enttäuscht sind ukrainische Regierungsmitglieder auch von den USA, die «bisher keinen Finger gerührt haben».
Am ersten Tag der Kämpfe starben 137 Menschen, 316 Soldaten seien verletzt worden. Viele Menschen suchten Zuflucht in U-Bahn-Stationen. In Kiew leben fast drei Millionen Menschen. Der ukrainische Präsident Selenskyj ordnete die allgemeine Mobilmachung an. Männer zwischen 18 und 60 Jahren dürfen das Land nicht verlassen. In einem Fernsehinterview sagte der amerikanische Aussenminister Antony Blinken, das russische Ziel sei es jetzt, die ukrainische Regierung zu stürzen.
Meldungen, wonach die Russen Tschernobyl eingenommen haben, haben nicht nur in der Ukraine Ängste ausgelöst. Im stillgelegten Atommeiler befindet sich noch immer eingebunkertes radioaktives Material.
Stärkere Sanktionen
An einem Sondergipfel haben sich die EU-Staaten darauf geeinigt, die Vermögenswerte von Wladimir Putin und Aussenminister Lawrow einzufrieren.
Diskutiert wird auch, ob Russland aus dem internationalen Zahlungssystem «Swift» ausgeschlossen werden soll. Dies kündigte der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn an. Ein Ausschluss aus dem Swift-System würde Russland nach Angaben von Experten schwer treffen.
Putin ruft die ukrainische Armee zum Sturz ihrer Regierung auf
Inzwischen hat Putin die ukrainischen Soldaten aufgefordert zu desertieren und die eigene Regierung zu stürzen. «Ich appelliere noch einmal an die Streitkräfte der Ukraine: Erlauben Sie Neonazis und ukrainischen radikalen Nationalisten nicht, Ihre Kinder, Ehefrauen und Ältesten als menschliche Schutzschilde zu benutzen», sagte Putin. «Nehmen Sie die Macht selbst in die Hand, dann können wir uns leichter einigen.»
Russlands Aussenminister Lawrow will trotz der russischen Invasion nach Genf fliegen. Dort hätte er am Donnerstag den amerikanischen Aussenminister Antony Blinken treffen sollen. Kommende Woche will er nach New York fliegen und an der Sitzung des Uno-Menschenrechtsrates teilnehmen. Gemäss der offiziellen russischen Nachrichtenagentur Interfax will er mit Michelle Bachelet, der Uno-Hochkommissarin für Menschenrechte zusammentreffen.
(Wird laufend aktualisiert)
Journal21