
Die deutsche Mode der Fernsehkrimis, die an beliebten Touristenzielen spielen, macht um Portugal keinen Bogen. Auf dieser Welle ist auch das ZDF mit «Flucht aus Lissabon» - einem Thriller, der ohne abgegriffene Landesklischees auskommt und ein aktuelles Thema aufgreift, nämlich den Missbrauch der Informationstechnologien. Eine Hauptrolle spielt eine Portugiesin, Hana Sofia Lopes, die sich im Gespräch über diese Erfahrung und ihre Sicht auf Portugal äussert.
Gleich in den ersten Minuten von «Flucht aus Lissabon» muss sich Hana Sofia Lopes in Lissabon ins Wasser des Tejo-Flusses fallen lassen, als ein Gauner auf sie schiesst. Aber schon der Sprung in eine der Hauptrollen dieses Thrillers (Buch von Hans-Hinrich Koch), den das ZDF am 17. März sendet, war für sie eine Herausforderung. An Erfahrung im In- und Ausland fehlt es der Darstellerin, die 1990 in Luxemburg als Tochter portugiesischer Eltern zur Welt kam, dort auch aufwuchs und sieben Sprachen spricht, zwar nicht. Sie gesteht im Gespräch aber in humorvollem Ton, dass sie anfangs «etwas in Panik» war, weil sie Deutsch mit leichtem Akzent spricht und dies ihre erste wichtige Rolle in einer deutschsprachigen Produktion war.
Ein Thriller, der aus dem Rahmen fällt
Über den Zuschlag für eine der beiden Hauptrollen in «Flucht aus Lissabon» – an der Seite von Hans Sigl, bekannt aus der Serie «Der Bergdoktor» – war Hana Sofia nicht nur «super stolz und froh», sondern wegen ihres Akzentes auch überrascht. «Fünf Jahre vorher hätte wohl ein deutscher Star die Rolle bekommen», glaubt sie. Sie meint, dass ein Wandel der Mentalität ihr diese Tür geöffnet habe. «Irgendwann werden die merken, dass mein Deutsch nicht so gut ist», dachte sie dennoch. Sie meint im Rückblick, dass sie über sich selbst herausgewachsen sei. Und aus der Sicht des Zuschauers macht just der Akzent den Thriller echter.
Andere deutsche TV-Thriller mögen in Kroatien, in Italien, Irland oder Istanbul spielen. Sowohl die Polizisten als auch die Gauner, die sie jagen, sprechen seltsamerweise aber oft ein akzentfreies Deutsch. Und geht es um Tatorte in Portugal, kommen rasch alte Klischees ins Spiel, etwa von den Portugiesen als Nostalgikern, Fado-Sängern und von Dingen, die nicht funktionieren (als ob sich Deutsche darüber noch mokieren dürften). In mehrerlei Hinsicht fällt da dieser Thriller aus dem Rahmen. Er zeigt neben den Schönheiten von Lissabon mit den Uralt-Trams ein modernes Land, das mit seinen Anwendungen auf dem Gebiet der Informationstechnologie auch Leute aus reicheren Ländern beeindruckt und überrascht.
Ein afrikanischer Despot und Software zum Filtern von Fake News
Just um IT dreht sich der Thriller mit Hana Sofia Lopes in der Rolle der Programmiererin Sophia Moreno, Schöpferin eines Programms, die es erlaubt, Fake News zu filtern, ein brandaktuelles Thema also. Mit einer umgekehrten Version dieser Software will der Despot eines afrikanischen Landes namens Kitwana eine anstehende Wahl manipulieren, und damit Sophia es für seine Kampagne umschreibt, wird sie erpresst. Eine Bande, die im Dienst des Despoten steht, entführen ihren siebenjährigen Sohn, der selbst kein Deutsch spricht. Hana Sofia spielt dabei keine «Superheldin», sondern die Mutter, die auf der Suche nach ihrem Sohn, wie sie sagt, eine ihr «bis dahin selbst nicht bekannte Stärke» entdeckt.
Hana Sofia Lopes lässt auch Stolz für das vom Film vermittelte Bild von Portugal durchblicken. Zum touristischen Landesimage gehören schöne Strassen und Hügel und andere weniger moderne Attraktionen. Aber das Land bietet eben auch moderne Überraschungen auf. «Auf dem Feld der Digitalisierung ist Portugal ja viel weiter fortgeschritten als Luxemburg, in Portugal kann man fast alles mit dem Handy bezahlen, und das ist schon seit Jahren so.»
Gedanken über den Tourismus und die IT
Die Schauspielerin wuchs in Luxemburg viersprachig auf. Sie lernte von klein auf natürlich die Landessprachen, also Französisch, Deutsch und Luxemburgisch; das Portugiesische bekam sie von ihren Eltern in die Wiege gelegt. Von Portugal kannte sie lange aber wenig mehr als die abgelegene Heimatregion ihrer Eltern. Sie kamen aus Trás-os-Montes («Hinter den Bergen»), im hohen Nordosten des Landes, aus dem Städtchen Chaves, rund 450 km von Lissabon. Sie entdeckte die Hauptstadt erst im Alter von 19 Jahren, als sie dort die Schauspielschule besuchte. Im Rahmen des Erasmus-Programms studierte sie aber auch ein Jahr lang in Madrid an der Real Academia Superior de Arte Dramático und später in Paris am Conservatoire National Supérieur d’Art Dramatique.
In Portugal machte sie eine der dort so beliebten Telenovelas über Nacht berühmt. Als wichtige internationale Meilensteine ihrer Karriere nennt die Schauspielerin das Theaterstück «Habiter le Temps» von Rasmus Lindberg, das Michel Didym inszenierte, und den kanadisch-luxemburgischen Film «Kanaval» von Henri Pardo, 2023 beim Toronto International Film Festival mit zwei Preisen ausgezeichnet.
Sie lebt zwischen Luxemburg und Lissabon, ist aber auch viel unterwegs, in Europa und Nordamerika. Auf Portugal blickt sie sowohl von innen als von aussen. Sorge bereitet ihr, wie der Tourismus wächst. «Ich weiss, dass viele Leute davon leben, es ist also nicht alles schlecht. Nur finde ich, dass der Tourismus ausser Kontrolle gerät», sagt sie. «Ich habe portugiesische Freunde, und da bekomme ich mit, dass es den Leuten eben nicht super gut geht. Eine Mietwohnung in Lissabon ist teurer als in Luxemburg.» Hana Sofia gesteht, dass sie selbst gern vor dem Rummel in Lissabon flüchtet.
Das IT-Drama mit humorvollem Happy End
Aber auch das Thema von «Flucht aus Lissabon», der Gebrauch und der Missbrauch der IT, lässt die Darstellerin nicht kalt. Sie stiess durch ihre Mitwirkung an diesem Thriller auf Sachen, mit denen sie sich «noch nicht auseinandergesetzt hatte», gesteht sie. «Die Nachrichten über das, was mit Informationstechnologie und künstlicher Intelligenz gemacht wird, machen mir Angst, weil man nie weiss, in welche Richtung das geht.»
Im Film nimmt alles ein gutes, ja humorvolles Ende. Schade, dass die Wirklichkeit in dieser Hinsicht etwas anders ist.
«Fernsehfilm der Woche» des ZDF, Sendetermin: 17. März, 20:15h, Dauer 88 Minuten
Link zum Film: https://www.zdf.de/filme/der-fernsehfilm-der-woche/flucht-aus-lissabon-100.html