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Buch

Widersprüchliches zur Migration

30. April 2025
Beat Allenbach
Demo in Bern, September 2024
Demonstration im September 2024 in Bern unter dem Motto «Zwischen uns keine Grenzen – für eine offene Gesellschaft der Vielen!» Der Buchautor Frank Urbaniok sieht das skeptischer. (Foto: KEYSTONE/Anthony Anex)

Aufsehenerregende Zahlen zur Ausländerkriminalität im Buch von Frank Urbaniok mit Vorschlägen, die teils fragwürdig, teils vortrefflich sind.

Es ist beeindruckend: Junge Männer aus einigen afrikanischen Staaten, z. B. Algerien, und aus Afghanistan sind in den Statistiken über Kriminalität im Verhältnis zu Schweizern stark übervertreten. In seinem Buch «Schattenseiten der Migration»* analysiert der Psychiater und ehemalige Chefbeamte beim Strafvollzug des Kantons Zürich die Situation in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 

Vorwürfe an Schweizer Behörden übertrieben

Auf über 260 Seiten hat der Autor u. a. eine grosse Menge von Zahlen zusammengestellt. Ich beschränke mich auf die Aussagen zur Schweiz, weil ich die Situation in den zwei Nachbarländern nicht zu beurteilen in der Lage bin. Der Autor liest den für die Migration zuständigen Behörden und Politikern in den drei untersuchten Ländern die Leviten: Sie würden die Realität verschleiern, die Kriminalität schönreden und nicht die notwenigen Massnahmen ergreifen und tatkräftig durchsetzen. 

Mit Bezug auf die Schweiz vermögen die Vorwürfe nicht zu überzeugen. Seit dem ersten Asylgesetz, das 1982 in Kraft getreten ist, behandelte das Parlament schon über zehn Änderungen zur Verschärfung des Asylgesetzes. Zudem befassten sich Parlamente in vielen Kantonen und auf eidgenössischer Ebene immer wieder mit der Migration, in letzter Zeit auch in Sondersessionen in Bern. Mehrere Volksabstimmungen in Kanonen und gesamtschweizerisch fanden statt oder sind in Vorbereitung.

Begrüssenswerte Vorschläge

Zum Schluss schreibt Urbaniok, das sei kein Buch gegen Ausländer, gegen die Migration, im Gegenteil für die Migration, für eine intelligente Migration, die den Nebenwirkungen Rechnung trage. Bemerkenswert sind seine Vorschläge zum Umgang mit Migranten: konsequente frühe Förderung des Spracherwerbs, niederschwellige Bildungsangebote und Förderung der beruflichen Ausbildung, Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit und Schutz vor Diskriminierung, liberale Einbürgerungspraxis zur Förderung der Integration. Von einer solchen, fast schon idealen, Situation sind wir jedoch weit entfernt. Es sei bloss an die im vergangenen Jahr stark gestiegenen Meldungen über rassistische Übergriffe und Diskriminierungen in der Schweiz erinnert.

Anstatt Einzelprüfungen der Asylgesuche Kontingente

Der Autor spricht stets vom Recht auf Asyl; das trifft einfach nicht zu. Es gibt zwar ein Recht, ein Asylgesuch einzureichen, aber keinen Anspruch darauf, Asyl zu erhalten. Im Widerspruch zur Genfer Konvention, die von der Uno 1951 verabschiedet wurde, schlägt Urbaniok vor, die individuelle Prüfung der Asylgesuche abzuschaffen; stattdessen solle jedes Land eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen (Kontingent) aufnehmen. Dabei würden Länder, deren Staatsangehörige einen höheren Anteil an kriminellen Taten aufweisen, weniger Bewilligungen erhalten. 

In der heutigen Lage mit individuellen Asylgesuchprüfungen seien Anhörungen von Flüchtlingen entweder in Drittstaaten oder in besonderen Grenzzonen durchzuführen, so dass nur ins Land einreisen kann, wer Asyl erhält. Die Forderung von Grenzzonen für die Behandlung von Asylgesuchen hat die SVP-Fraktion gefordert. Diese ist im vergangenen Herbst vom Nationalrat abgelehnt worden. Der Bundesrat wertete diesen Vorschlag als unrealistisch, denn in der engräumigen Schweiz wäre kaum ein Kanton bereit, eine solche Zone zur Verfügung zu stellen.

Es fällt auf, dass der Autor Asylpolitik und Migration ganz auf die Bedürfnisse der Ankunftsstaaten ausrichtet, aber kaum darauf hinweist, dass die meisten Flüchtenden in Not sind und deren Zahl infolge von Kriegen und diktatorischer Gewalt und Willkür von Jahr zu Jahr ändert. Kriminelle Asylsuchende sollen leichter und entschlossener in ihr Herkunftsland zurückgeschafft werden. 

Zwar räumt Urbaniok ein, dass die Schweizer Behörden mehr Rückführungen durchführen als die Nachbarstaaten, aber er fordert zusätzliche Anstrengungen, abgewiesene Asylsuchende auch in Länder zurückzuführen, die nicht als sicher gelten. Weiter seien Staaten zu bestrafen, die sich weigerten, ihre Landsleute aufzunehmen, die zwangsweise heimgeschickt werden. Entwicklungsprojekte zugunsten der Bevölkerung sollen in diesem Fall eingestellt werden. Das ist nicht immer sinnvoll. Und wie können Staaten sanktioniert werden, die keine Unterstützung erhalten?

Kriminelle Doppelbürger sollen Schweizer Bürgerrecht verlieren

Auch verurteilte Ausländer mit gültigen Aufenthaltspapieren seien konsequenter in ihr Land zurückzuschicken. Das ist schon heute, jedenfalls teilweise, üblich, sofern die Verhältnismässigkeit dieser Nebenstrafe gewahrt bleibt. Wie bereits erwähnt, wünscht der Autor eine liberale Einbürgerungspraxis – das ist für die Schweiz ein frommer Wunsch angesichts der vom Parlament erhöhten Hürden für die Einbürgerung. Gleichzeitig möchte er, dass die Eingebürgerten auch ihr ursprüngliches Bürgerrecht beibehalten. Denn im Fall von schweren Verbrechen empfiehlt Urbaniok, das Bürgerrecht den Eingebürgerten zu entziehen. Doch ein Bürgerrecht auf Bewährung scheint mir mit unserem Verständnis des Bürgerrechts nicht vereinbar. Weiter ist dem Autor die Freizügigkeit ein Dorn im Auge, wie sie z. B. in den bilateralen Verträgen mit der EU verankert ist.

Nicht immer sachbezogen

Bezeichnend ist, dass der Psychiater stets von Dogmatismus warnt und sich für pragmatische Lösungen stark macht. Doch wie absolut er Rückführungen von Kriminellen fordert, auch das Bürgerrecht entziehen möchte, und Erhebungen von kriminellen Tatbeständen nach Deliktart und Nationalität von Menschen mit Migrationshintergrund bis zur dritten Generation vorschlägt, sind nicht Beispiele eines sachbezogenen Vorgehens. 

Die unterschiedlichen Zahlen über Kriminalität bei Ausländern verschiedener Nationalitäten und Schweizern sind gleichwohl beunruhigend und ein Zeichen, dass etwas mit der Eingliederung ausländischer Menschen nicht rund läuft. Da gilt es, nach bessern Lösungen zu suchen, um Asylsuchenden den Eintritt in die Arbeitswelt zu erleichtern.

Im Vorwort schreibt Urbaniok: «Mein Buch und ich werden in eine rechtsradikale Ecke gerückt. Das ist Unsinn. Denn ich positioniere mich gegen alle radikalen Agitatoren, Populisten und Extremisten. Mir ist egal, ob sie von rechts, von links (…) kommen. Indem ich sie bekämpfe, sitze ich in den polarisierten ideologischen Diskussionen oft zwischen den Stühlen. Wie in diesem Buch bemühe ich mich um Wissenschaftlichkeit, Faktenbezug und Differenzierung.» Diese Aussage zu beurteilen, überlasse ich den Leserinnen und Lesern.  

* Frank Urbaniok: Schattenseiten der Migration. VOIMA-Verlag, 282 Seiten, CHF 29.80

 

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