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Sprach-Akrobatik

Was ist kafkaesk?

5. Juni 2014
Stephan Wehowsky
Man muss Kafka nicht gelesen haben, um zu wissen, dass das „Kafkaeske“ irgendwie mit dem Unheimlichen und Bedrohlichen zu tun hat.

Allerdings ist es schon seltsam, dass der Duden diesen Ausdruck erst 1973 aufgenommen hat. Das hätte ihm eigentlich schon eher einfallen können, denn Kafka starb bekanntlich im Jahr 1924.

Nach 50 Jahren sind die meisten Schriftsteller so gut wie vergessen, aber von Kafka blieb neben seinen Werken noch das „Kafkaeske“, was durch den Duden sozusagen amtlich wurde. Beim Wort „amtlich“ zucken die Kafka-Kenner zusammen. Denn sie wissen, dass mit den „Ämtern“ und ihren diversen Zugriffsmöglichkeiten genau das Unheimliche entstanden ist, das der Versicherungsangestellte Kafka wie kein Zweiter beschrieben hat.

Netze werden gesponnen, in denen sich der Einzelne unversehens verfängt, darin zappelt, und keiner kann erklären, warum das so ist und worin der Ausweg bestehen könnte. Das waren fast schon irre Fantasien, die Kafka umtrieben und so gefangen nahmen, dass er sein eigenes Leben kaum in normale Bahnen lenken konnte. Immer wieder war er verliebt, verlobt, aber am Ende eben doch nicht verheiratet.

Dafür hat er einen Nerv getroffen, so präzise und so genau, dass sein Werk bis heute so gelesen werden kann, als wäre es gerade erst geschrieben worden. Und die Tatsache, dass uns Kafka heute noch recht vertraut ist, beruht zum Teil auf einer kafkaesken Verwicklung: Denn Kafka hatte kurz vor seinem Tode in seinem Testament bestimmt, dass einige seiner Manuskripte, vor allem seine Briefe und Tagebücher, zu verbrennen seien. Sein engster Vertrauter und Nachlassverwalter Max Brod hatte aber nichts Besseres zu tun, als diese Schriften zu veröffentlichen. So wird etwas an Kafka sichtbar, was er eigentlich hatte sorgsam verbergen wollen. Diese Art der Schutzlosigkeit klingt in der Bezeichnung "kafkaesk" ebenfalls an.

Etwas verbergen zu wollen, gilt heute als sehr altmodisch. Auf Facebook, Twitter und anderen Social Media wird alles so lange herumgeschnattert, bis keiner mehr etwas dahinter vermutet, was verborgen sein könnte. Erst die findigen Köpfe von „Big Data“ können daraus Honig saugen, indem sie das Geplapper verbinden und akkumulieren. Und plötzlich wacht jemand auf und merkt, dass aus ihm ein Gregor Samsa geworden ist.

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