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Absturz ins Nirgendwo

Was geschah mit Amelia? Eine neue Spur

3. Oktober 2025
Heiner Hug
Amelia Earhart
Amelia Earhart (Keystone/AP)

Die Geschichte wurde tausendmal erzählt. Ein Heer von Historikern, Journalisten, Hobby-Detektiven und Forensikern suchten nach ihr. Flugzeuge und Helikopter kreisten über dem Meer. Millionen Dollar wurden aufgewendet. Doch das Rätsel bleibt ungelöst. Doch da gibt es noch die Geschichte vom Damenschuh auf der einsamen Insel.

In einem hat Donald Trump recht: Die Geschichte hat «Millionen Menschen in den Bann gezogen». Das ist der Stoff für Verschwörungserzählungen, für Bücher, fürs Kino, fürs Fernsehen. Immer wieder tauchen angeblich neue Details auf. Es wird spekuliert, interpretiert. 

Im Mittelpunkt steht die 1897 in Kansas geborene Amelia Earhart, Tochter eines Alkoholikers, Pazifistin, politisch links, feurige Feministin, intelligent, abgebrochenes Medizinstudium, Flugzeugpionierin, gefeiert als Heldin, als «Frau des Jahres», Idol der jungen amerikanischen Frauen. 

Amelia Earhart
Amelia Earhart 1937 (Keystone/AP)

1932 überquerte sie als erste Frau den Atlantik im Alleinflug. Dafür verlieh ihr Präsident Herbert Hoover die Goldmedaille der «National Geographic Society». 

Hoover, Earhart
Präsident Herbert Hoover überreicht Amelia Earhart die Goldmedaille. (Keystone/AP)

Heiraten wollte sie nicht (obwohl sie es dann doch eher widerwillig tat), Kinder wollten sie keine, «es dauert zu lange, ein Baby zu kriegen». 1935 überflog sie im Alleinflug als erster Mensch den Pazifik zwischen dem kalifornischen Oakland und Honolulu. Sie verehrte den demokratischen Präsidenten Franklin D. Roosevelt und lud seine Frau Eleanor zu einem «Spazierflug» über Washington ein.

Nachdem sie schon mehrere Flugrekorde gebrochen hatte, entschied sie sich 1937, kurz vor ihrem 40. Geburtstag, die Erde zu umrunden. Sie startete am 21. Mai 1937. Mit ihrem zweimotorigen Flugzeug «Lockheed Electra 10E» und ihrem Navigator Fred Noonan wollte sie von Oakland aus um die Welt fliegen. Finanziert wurde das Unternehmen von der Purdue University in Indiana, wo sie stets Vorträge hielt und Studentinnen und Studenten betreute. 

Earhart Noonan
Amelia Earhart mit ihrem Navigator Fred Noonan vor ihrem Flug (Keystone/AP)

Sie flog mit Zwischenstopps, um zu tanken, über Miami, die Karibik nach Recife in Brasilien, dann über den Atlantik, über Afrika, Indien, Australien nach Lae in Papua-Neuguinea. Hier hatte sie schon fast drei Viertel der Erdumrundung geschafft. 

Electra
Das letzte Foto: Die Electra 10 E auf Lae in Papua-Neuguinea. Das Bild zeigt, dass die Funkantenne abgebrochen ist. (Keystonbe/AP/TIGHR)

Nun versuchte sie, die Howland-Insel im Südpazifik zu erreichen. Dabei handelt es sich um eine abgelegene, unbewohnte Koralleninsel im Besitz der USA. Dort wollte sie ihr Flugzeug auftanken. Geplant war, dass sie ein in der Nähe stationiertes Schiff der US-Küstenwache per Funk anpeilte. Doch ein Funkverkehr kam nicht zustande. Earhart und ihr Navigator verloren die Orientierung, flogen kreuz und quer umher – und verschwanden irgendwo über dem Südpazifik.

Nun begann eine der grössten Suchaktionen der Geschichte. 64 Flugzeuge und acht Kriegsschiffe wurden aufgeboten. Mehr als 400’000 Quadratkilometer Meer wurden abgesucht. 

Von Riesenkrabben gefressen?

Und jetzt schossen Spekulationen und Theorien ins Kraut. Stürzte das Flugzeug wegen Treibstoffmangels ab? Retteten sich die beiden auf eine einsame Insel im Südpazifik? Wurden sie von Riesenkrabben gefressen? Wurden sie von den Japanern als Spione gefangen genommen? Wurde die linke Pazifistin vom amerikanischen Geheimdienst zum Verschwinden gebracht? Lebte sie noch lange unter falschem Namen, irgendwo?

Geschürt wurden die Spekulationen und Gerüchte auch dadurch, dass das FBI nicht alle Unterlagen zum Verschwinden der Flugpionierin freigab. Was gab es da zu vertuschen? Zwar hatten das FBI und die Marine einige Dokumente veröffentlicht, aber längst nicht alle. 

Fest steht:

  • Die flache Howlandinsel ist nur 2,4 Quadratkilometer gross und bei schlechtem Wetter (solches herrschte damals) im grossen Pazifik mit dem blossen Auge schlecht zu erkennen. 
     
  • Die Howlandinsel war auf der Karte falsch eingezeichnet, nämlich zehn Kilometer westlich ihrer tatsächlichen Lage.
     
  • Aufgrund des Überfliegens der Datumgrenze hatte der Navigator Noonan Schwierigkeiten mit seinen Berechnungen. 
     
  • Die Funkempfangsantenne des Flugzeuges war auf der holprigen Startbahn in Lae in Neuguinea beschädigt worden. Funksprüche konnten gesendet, aber nicht mehr empfangen werden. 
     
  • Das Funkpeilsystem des Küstenwache-Schiffs, das neben der Insel lag, war mit dem Funksystem der Elektra 10 nicht synchronisiert.

Die offizielle Erklärung lautet, dass das Flugzeug Kommunikationsprobleme hatte und dass Earhart schliesslich ins Meer stürzte, als ihr der Treibstoff ausging. 

Mehrheitlich wird deshalb angenommen, dass das Flugzeug in der Nähe der Howlandinsel auf dem Meeresboden liegt. Doch auch dort wurde es – trotz der Suche mit Tiefseerobotern – nicht gefunden.

Zu den vielen Thesen gehört …

Earhart – so die Spekulation – ist nicht bei der Howlandinsel ins Meer gestürzt, sondern konnte in der Nähe der damals zu Japan gehörenden  Marshallinseln notlanden, und zwar auf dem Atoll Nikumaroro in der Nähe von Kiribati. Ein Skelett, das dort gefunden wurde, war zunächst Earhart zugeschrieben worden, später jedoch einer männlichen Person. Ein Suchflugzeug fand hier Hinweise auf «menschlichen Aufenthalt» (signs of recent habitation).
 
Schon 1940 wurde auf dem verlassenen Atoll ein Damenschuh der Marke Cat’s Paw (Katzenpfote) gefunden. Das war eine der Marken, die Earhart trug. Auch eine Flasche des französischen Kräuterlikörs «Bénédictine» wurde entdeckt – ein Lieblingsgetränk von Earhart. Im weiteren fand man den Spiegel einer Puderdose und einen Reissverschluss, der zu einer Fliegerjacke gehören könnte.

Von Riesenkrabben gefressen?

«The International Group for Historic Aircraft Recovery» (TIGHAR) ist der Ansicht, dass gefundene Knochenteile von Earhart und ihrem Navigator stammen könnten. Die beiden seien möglicherweise nach ihrer Ankunft auf Nikumaroro von riesigen Krabben verspeist worden. Die Knochenteile gingen dann verloren, bevor sie näher untersucht worden wären.

Die Theorie, dass Earhart und ihr Navigator bei Nikumaroro landeten oder abstürzten, könnte bald neue Nahrung erhalten. Ende dieses Monats startet eine Expedition des «Archaeological Legacy Institute» in den Südpazifik. Dabei ist auch ein 15-köpfiges Team der Purdue University. Die Forscher sollen sich auf Majuro auf den Marshallinseln treffen und von dort aus etwa 1’200 Seemeilen nach Nikumaroro segeln. 

Die Arbeiten auf Nikumaroro konzentrieren sich auf die Untersuchung des Taraia-Objekts, das erstmals 2020 auf Satellitenbildern entdeckt worden war. Handelt es sich dabei um Reste der Lockheed Electra 10E?

Electra 10E?
Handelt es sich bei diesem Objekt um Überreste der Electra 10E? (Foto: Rick Pettigrew, Archaeological Legacy Institute)

Zuerst sollen Videoaufnahmen und Fotos der Lagune gemacht werden. Mit Baggern werden dann Unterwassergrabungen durchgeführt, um das Objekt zur Identifizierung freizulegen. Ferner soll die Umgebung minutiös nach Trümmerteilen abgesucht werden.

Schon oft glaubte man, Überreste der Electra 10E aufgespürt zu haben, und immer wieder wurde man enttäuscht. Ist es diesmal anders? Wäre das auf Satellitenaufnahmen abgebildete Objekt tatsächlich das abgestürzte Flugzeug, könnte das den früherer gefundenen Damenschuh und die Likörflasche erklären. Wären die beiden dann von Tieren aufgressen worden? Wieder wird spekuliert und phantasiert. Eine grosse Frage bleibt: Das Objekt wurde vor fünf Jahren auf Satellitenbildern gesichtet. Weshalb startet man erst jetzt zu einer Expedition? 

Still missing

Seit dem Verschwinden der beiden vor fast neunzig Jahren fesselt das Ereignis immer wieder Millionen Menschen. Der Absturz der Elektra ins Nirgendwo ist ein «longseller». Wer ein Buch mit angeblich neuen Erkenntnissen über Amelia Earhart schreibt, kann fast sicher sein, einen Bestseller zu landen. 

Über ein Dutzend Fernseh- und Kinofilme wurden über Amelia Earhart gedreht. Zahlreiche Musikstücke wurden komponiert, Dutzende Bücher in allen Sprachen erschienen, ein Asteroid und zwei Schiffe wurden nach ihr benannt. 

Geheime Dokumente freigeben

Diese Woche sprang plötzlich Donald Trump auf das Thema auf. Der Zeitpunkt ist wohl nicht zufällig. «Amelia verschwand plötzlich und ohne Vorwarnung und wurde nie wieder gesehen», erklärte er und ordnete an, dass die bisher vom FBI geheim gehaltenen amerikanischen Dokumente «deklassifiziert», also freigegeben würden.

Trump hatte erfahren, dass sich eine Expedition auf den Weg machte. Er weiss, dass das Thema hyperpopulär ist und viele Leute in den Bann zieht. Will er sich da auch ein Stück vom Kuchen abschneiden? Schon lässt er durchblicken, dass sich die Forscher wegen eines Tipps von ihm auf den Weg gemacht haben. 

Vielleicht wird jetzt das Geheimnis um Amelia Earhart tatsächlich gelüftet. Vielleicht ist sie tatsächlich auf Nikumaroro gelandet und dort zusammen mit ihrem Navigator gestorben. 

Aber vielleicht ist das Objekt, das in der Lagune von Nikumaroro gesichtet wurde, nicht die Electra 10E. Und vielleicht fanden Amelia Earhart und ihr Navigator eben doch irgendwo im weiten Pazifik die letzte Ruhe – in 5000 Metern Tiefe. In einigen Wochen sollten wir es wissen. Am 21. November kehrt die Expedition mit den Ergebnissen in die USA zurück.

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