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Demokratie

Volksabstimmung?

1. November 2011
Journal21
Da hat es den Eurokraten in Brüssel ganz schön den Staub vom Dienstpult geblasen: Die griechische Regierung will doch tatsächlich das Volk über die am EU-Gipfel gefassten Beschlüsse abstimmen lassen. Unerhört.

Die Wiege der Demokratie durfte das letzte Mal 1974 eine Volksbefragung erleben. Damals sprach sich die Mehrheit der Bevölkerung gegen eine Monarchie aus. Nachdem inzwischen weder eine Militärdiktatur noch ein König, aber eine «Troika» das Land regiert, ist es wohl nur konsequent, die Betroffenen um ihre Meinung zu fragen.

Europäische Politiker tanzen vorsichtig um eine Stellungnahme herum. Im tiefsten Herzen empfinden sie diese Ankündigung als unerhört, unglaublich, geradezu unverschämt. Und dumm. Das Volk abstimmen lassen? Um Himmels willen, damit hat man schon üble Erfahrungen bei der Zustimmung zur letzten EU-Verfassung, dem Vertrag von Lissabon, gemacht. Da mussten doch schon Abstimmungen so lange wiederholt werden, bis das dumme Volk endlich bereit war, das Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Selbst Parlamente, so wie das slowenische, finnische oder niederländische, müssen gelegentlich dazu gezwungen werden, die richtige Entscheidung zu treffen.

Ungehemmte Börse

Die Märkte, wie sie es als empfindliche Wesen so an sich haben, reagieren mal wieder nervös. Börsenindizes stürzen ab, Bankaktien verlieren massiv an Wert. Denn wenn die griechische Bevölkerung tatsächlich beschliessen sollte, das untaugliche und unsinnige Rettungspaket abzulehnen, das keine Lösung der Krise beinhaltet, sondern nur mit neuen Schulden Zeit erkauft, dann wäre Griechenland pleite. Endlich. Dann müsste Griechenland aus der Euro-Zone austreten. Endlich. Dann könnte Griechenland mit einer eigenen Landeswährung Exporte verbilligen und Dienstleistungen wie Tourismus auch. Endlich. Dann gäbe es nach einem Riesenschlamassel einen Neustart. Grossartig.

Aber, aber, aber

Aber wäre das nicht der Weltuntergang? Finanzkrise, bankrotte Banken, Tohuwabohu? Aber nein, die Welt wird sich ordnungsgemäss weiterdrehen. Die angehäuften 380 Milliarden Staatsschulden sind ja nur ein Klacks im Verhältnis zu den Gesamtschulden der Eurostaaten. Banken, die intern griechische Staatsschuldpapiere schon längst auf realistische zehn oder zwanzig Prozent abgeschrieben haben, würden routiniert die Politiker ein weiteres Mal erpressen und sich auf Kosten der Steuerzahler rekapitalisieren lassen. Und in Griechenland gäbe es sicherlich ein Weilchen ein ganz schönes Schlamassel. Zum 6. Mal seit 1830 in seiner Geschichte als Nationalstaat. Da Griechenland insgesamt häufiger und länger zahlungsunfähig als solvent war, hat sich da aber eine gewisse Routine eingestellt. Gekniffen ist der Gläubiger und Sparer, jubilieren kann der Schuldner und der Besitzer von Sachwerten.

Ist das alternativlos?

Zutiefst erschüttert sind die Eurokraten durch die Tatsache, dass es eine weitgehend entmachtete Regierung wagt, die von Brüssel verordnete Politik nicht als die einzig richtige, vernünftige, sinnvolle zu akzeptieren, jedes neue Diktum nicht als völlig «alternativlos» zu schlucken. Und echt Angst macht ihnen, dass doch tatsächlich in Europa das Volk, der Stimmbürger über sein Schicksal entscheiden darf. Nach kurzer Schockstarre werden wir da üble Drohungen, Erpressungen, Einschüchterungen aus den EU-Zentralen erleben dürfen. Aber gäbe es denn eine Alternative? Nun, vielleicht gilt auch im Kapitalismus die schöne Aufforderung von Bertolt Brecht an die Machthaber in der DDR nach den Unruhen im Juni 1953: « Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein neues?»

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