Die Industriearchäologie hat ein erstaunliches Sortiment von Hochöfen, Gasometern, Kokereien, Maschinen-Raritäten und Kuriositäten, Spinnereien, Fördertürmen, Wasserradsägereien. Schleusen und Hebewerken, Stollenmundlöchern, Zechen und Pumpenhäusern in die Kulturgeschichte heimgeholt. In Gasgebläsehallen finden Rockkonzerte statt, Kraftwerke und Wassertürme werden Ausstellungsräume – Umnutzungen sind für Industriedenkmäler überlebenswichtig. Aber Umnutzung allein veredelt sie bestenfalls zu rostenden Ravioli mit Kulturfüllung.
Umwertung ist angesagt: die Meilensteine der Technikgeschichte sind selber Delikatessen der Kultur – und die Unesco vergibt seit l978 das Prädikat „Welterbe“ auch an die Inkunabeln der industriellen Revolution. So kam die deutsche Völklinger Eisenhütte im Saarland, die Aufstieg und Niedergang des Industriezeitalters spiegelt, 1994 auf die Liste – ein Quantensprung im Verständnis von Kultur. Ein Mammut der Industriegeschichte, stillgelegt, aber gleichsam schlüsselfertig, alles andere als Schrott, komplett ausgerüstet, Erzbunker und Kokerei, Sinteranlage, Hochöfen und so fort, fand sich wieder in der Gesellschaft von Taj Mahal, Borobudur und Notre-Dame.
1873 gegründet, hatte die Eisenhütte in der hüttenmännischen Technik Marksteine gesetzt, ihre Innovationen und Pionierleistungen gaben weltweit zu reden, aber die Marktsituation erzwang trotzdem 1986 den letzten Abstich, die Hochofenanlage zur Roheisenerzeugung machte dicht.
Seit 2000 ist die Anlage in der Obhut einer „Bauhütte der Hütte“, die ihre Nutzung als Museum und für Kulturveranstaltungen regelt und mit Argusaugen ihre technische Authentizität behütet. 400 000 Besucher im Jahr 2011 überzeugten sich von deren pingeliger Wachsamkeit. So etwa: keinesfalls zu viel Rost – aber auch nicht zu wenig... Jahr der Aufnahme: 2002. (Copyright: Georg Gerster/Keystone)