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Kommentar 21

Völkermord

31. Mai 2021
Christoph Kuhn
Staatsmännische Eingeständnisse und notwendige Folgen

Ende vergangener Woche haben, fast zeitgleich, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Deutschlands Aussenminister Heiko Maas öffentlich historische Schuld ihrer Länder an Völkermorden eingestanden und mehr oder weniger gewunden um Vergebung gebeten. Maas bezog sich in Berlin auf ein düsteres Kapitel deutscher Kolonialgeschichte, auf die Ermordung von 75’000 aufständischen Herero und Nama im heutigen Namibia zwischen 1904 und 1908. Es war der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts – und für eine derartige Greueltat gibt es natürlich keine Entschuldigung und keine Vergebung.

Macron war nach Kingali, der Hauptstadt Ruandas, gereist, um Frankreichs Mitschuld am 1994 verübten Genozid an 800’000 Tutsis zu bekennen. Frankreich wird zwar keine Mittäterschaft vorgeworfen, aber es hat als vor Ort militärisch präsente Schutzmacht weggeschaut und nichts unternommen, um das Massaker zu verhindern.

Die Zulassung des Begriffs «Völkermord» für das, was geschehen ist, die Schuldeingeständnisse höchster Regierungsrepräsentanten, die Bitte um Vergebung, das sind deutliche, symbolträchtige und natürlich auch publikumswirksame Aktionen. Es besteht kein Grund anzunehmen, dass sie von Macron und Maas nicht aufrichtig gemeint sind.

Indessen: die staatsmännischen Gesten genügen nicht, bei weitem nicht. Das bezeugen die Kommentare von Hinterbliebenen des Völkermordes sowohl in Namibia wie in Ruanda und die Stellungnahmen von mit der Materie vertrauten Politikern und Historikern. Da ist bestenfalls von einem ersten Schritt in die richtige Richtung die Rede. Worauf es aber vor allem ankäme, sagen die Kritiker, wäre das Eindringen des Wissens um die verübten oder nicht verhinderten Greueltaten ins «allgemeine Bewusstsein», also in die Köpfe von möglichst vielen Deutschen, Franzosen und überhaupt uns Europäern. Um aus der Geschichte lernen zu können, muss sie ja zuerst wahrgenommen werden. Dazu wären freilich grössere Anstrengungen seitens der Bildungsinstitutionen oder der öffentlichen Medien vonnöten. Von einem weit verbreiteten allgemeinen Bewusstsein in Zusammenhang mit den von Macron und Maas angesprochenen Verbrechen kann im Ernst nicht die Rede sein. 

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