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Debatte zu dritt

Vier Millionen Deutsche mit postsowjetischem Hintergrund

5. August 2025
Tim Guldimann
Tim Guldimann
Debatte zu dritt

Sind sie eine mögliche Opposition gegen Moskau oder Putins Fünfte Kolonne oder später einmal ein Brückenkopf für eine neue Verständigung mit Russland? – Tim Guldimann diskutiert mit der Russlanddeutschen Ira Peter und dem Moskau-Korrespondenten der ZEIT, Michael Thumann.

Gibt es eine gemeinsame Identität post-sowjetischer Migranten und ihrer Nachkommen, wenigstens unter Russlanddeutschen? – Ira Peter: «Also ein Wir-Gefühl gibt es nicht, selbst die 2,5 Millionen Russlanddeutsche sind vollkommen heterogen». – Michael Thumann: «Ich würde auch hinter die Gemeinschaft der Russischsprachigen und der vermeintlich russischen Welt in Deutschland ein grosses Fragezeichen setzen. Wenn wir das mit den Zuwanderern aus der Türkei vergleichen, liegt der Fall halt ganz anders.» 

Gibt es eine Gemeinsamkeit aufgrund der Sprache? – Ira Peter: «Zum Russischen haben ältere Deutsche aus der Sowjetunion keine gute Einstellung. Das ist die Sprache der Unterdrücker gewesen. Die allermeisten sind ja Anfangs der Neunziger gekommen, vor über dreissig Jahren. Mein Russisch ist natürlich verkümmert. Ich wollte möglichst unauffällig sein, so wie die Christians und die Melanies in meiner Schulklasse. Russisch ist auch nicht Familiensprache. Familiensprache war bei uns immer das Deutsche.» 

Michael Thumann berichtet von den sehr vielen politischen Emigranten. Tausende leben jetzt vor allem in Berlin. Thumann: «Das intellektuelle Moskau, das ich in früheren Jahren dort kennengelernt habe, hat sich kollektiv in Berlin versammelt, eine politische Opposition in Deutschland gegen das Putin-Regime. Wenn man fragt, wo ist denn eigentlich Opposition, dann ist diese in Moskau überhaupt nicht mehr sichtbar. Hörbar und sichtbar ist sie heute in Berlin.»

Ira Peter: «Die, die in den Neunzigern gekommen sind, sind relativ apolitisch. Das trifft vor allem auf die Russlanddeutschen zu. Das ist auch ein sowjetisches Erbe, weil man sich aus der sowjetischen Politik rausgehalten hatte. Ein Teil der Russlanddeutschen entscheidet sich für die rechtsextreme Partei (AfD). Die Ansprache aus dem Kreml richtet sich gezielt auch an postsowjetische Eingewanderte in Deutschland und bedient Kränkungserfahrungen, die mit dieser Umbruchphase einhergehen.» 

Ist das ein Rekrutierungsfeld für Putins Fünfte Kolonne? – Ira Peter: «Mit Sicherheit». – Michael Thumann: «Moskau überlegt sich ganz genau, wo für welchen Zweck man Leute einsetzen kann. Das sind die Fälle, die auch in der Bundeswehr aufgedeckt wurden.»

Könnte aus diesem post-sowjetischen Umfeld einmal ein Brückenkopf entstehen für eine mögliche politische Verständigung mit Russland. – Ira Peter: «Ich glaube, die Russlanddeutschen sind da raus, sie sind ja nicht mal richtig Brückenbauer zu Kasachstan.» – Michael Thumann: «Es gibt eine Gruppe, die dann ganz sicher in Frage kommt als Brückenbauer, das ist die erwähnte politische Opposition, das sind die Moskauer Intellektuellen. Putin hat das meiste dafür getan, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland verbrannt wurden. Die ganz vielen kleinen Brücken, die Vernetzung der Gesellschaften, die wir mit Russland so weit vorangetrieben hatten wie mit keinem anderen Land dieser Welt. Das ist eine ganz grosse Tragödie. Ich befürchte auch, dieser Reichtum wird sich nicht wieder herstellen lassen.»

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Journal 21 publiziert diesen Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Podcast-Projekt «Debatte zu dritt» von Tim Guldimann.

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