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Waffenstillstand oder Sturz Ghadhafis als Priorität?

Uno-Hilfswerke tanzen in Libyen auf Eiern

20. April 2011 , Genf
Pierre Simonitsch
Der am vergangenen Wochenende zwischen den Vereinten Nationen und dem Ghadhafi-Regime vereinbarte „humanitäre Präsenz“ internationaler Organisationen in Libyen bleibt vorerst toter Buchstabe. Auf einer Pressekonferenz in Genf berichteten die Hilfswerke von andauernden Kämpfen, die ihnen die Lieferung und Verteilung von Lebensmitteln und Medikamenten an die Zivilbevölkerung erschweren. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon hat daher einen Waffenstillstand zur höchsten Priorität erklärt.

Als weiteren Schritt schlägt Ban einen Dialog zwischen den Bürgerkriegsparteien vor, um den Konflikt zu beenden. Beide Vorschläge werden nicht unbedingt von den Regierungen der USA, Frankreichs und Grossbritanniens begrüsst, die sich den Sturz Ghadhafis zum Ziel gesetzt haben.

Kein erweitertes Mandat ohne die BRICS-Gruppe

Die von der Nato geführten Luftangriffe gegen Stellungen der libyschen Regierungstruppen stossen an ihre Grenzen. Die Aufständischen fordern jetzt Unterstützung durch Bodentruppen. Dafür wäre aber eine neue Resolution des Weltsicherheitsrats erforderlich.

Die informelle BRICS-Gruppe, (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), findet jedoch, dass die Westmächte bereits das Mandat der Resolution 1975 vom 30. März überschritten haben. Sie wehren sich gegen eine Ausweitung des Kriegs. Da alle fünf Mitglieder der BRICS derzeit Sitze im Sicherheitsrat und zwei davon sogar ein Vetorecht haben, führt kein legaler Weg an ihnen vorbei.

"Humnaitärer Korridor"

Bleibt die humanitäre Hilfe für die bedrohte Zivilbevölkerung. Die Uno hat jetzt ein Vorausteam nach Tripolis entsandt, das die Bedürfnisse abschätzen soll. Ban Ki Moon erklärte, im schlimmsten Fall könnten 3,6 Millionen Menschen von internationaler Hilfe abhängig werden.

Als erstes Hilfswerk hat das Welternährungsprogramm (WFP) einen „humanitären Korridor“ von Tunesien aus nach Westlibyen eröffnet. Am Montag überquerten acht Lastwagen mit 240 Tonnen Mehl und fast zehn Tonnen Hochkaloriengebäck die Grenze. Die Lieferung soll 50 000 Menschen während eines Monats ernähren. Der Hilfszug erreichte Tripolis und sechs weitere Orte, aber nicht Misrata. Diese umkämpfte Hafenstadt mit 400 000 Einwohnern wird von mehreren Organisationen auf dem Seeweg versorgt.

Ein von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) gechartertes Schiff bringt im Pendelverkehr Hilfsgüter nach Misrata und nimmt dort Kriegsflüchtlinge an Bord. Laut der IOM sind bisher 543 500 Menschen aus Libyen geflohen, meistens Fremdarbeiter. Bisher hat die IOM 114 300 von ihnen repatriiert. In Misrata warten noch rund 5000 Migranten auf den Transport in ihre Heimatländer. Die britische Regierung hat der IOM einen Sonderbeitrag von anderthalb Millionen Pfund zukommen lassen.

Auf wackligen Beinen

Die gesamte internationale Hilfsaktion steht jedoch auf wackligen Beinen. Nach Misrata zum Beispiel können die Organisationen aus Sicherheitsgründen kein eigenes Personal entsenden, solange die Stadt unter dem Dauerbeschuss der Regierungstruppen steht. Sie lassen daher die Hilfsgüter von „lokalen Partnern“ verteilten, ohne die Endempfänger zu kennen. Einer ihrer Vertragspartner ist der Libysche Rote Halbmond, eine Schwestergesellschaft des Roten Kreuzes.

Die Gesellschaften vom Roten Kreuz oder Roten Halbmond sind in den meisten Ländern eng mit den dortigen Regimen verstrickt. In Libyen wirkt sich dies unter den derzeitigen Umständen insofern positiv aus, als die Abmachungen mit dem Roten Halbmond „nicht von der Regierung in Frage gestellt werden“, wie sich die Sprecherin eines Uno-Hilfswerks in Genf ausdrückte.

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