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Italien/USA

Turteln – trotz allem

19. April 2025 , Rom
Heiner Hug
Vance, Meloni
J. D. Vance, Giorgia Meloni in Rom (Keystone/AP/Andrew Medichini)

Die italienische Ministerpräsidentin traf dieser Tage in Washington und Rom mit Präsident Trump und Vizepräsident Vance zusammen. Konkret brachten die Treffen wenig bis gar nichts. Meloni musste sich vorwerfen lassen, den beiden allzu unterwürfig entgegenzutreten.

Es war eine beispiellose Abrechnung mit Europa. In einer schockierenden, brutalen Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz hatte Vizepräsident J. D. Vance im Februar den Europäern die Leviten gelesen und ihnen mangelndes Demokratieverständnis vorgeworfen. In seinem Vortrag kritisierte er, dass die Meinungsfreiheit in Europa «auf dem Rückzug» sei. Europa würde unliebsame Stimmen zum Schweigen bringen. Die Rede hatte in den europäischen Hauptstädten wie ein Blitz eingeschlagen. Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warf der US-Regierung Rücksichtslosigkeit und einen Bruch mit althergebrachten internationalen Regeln vor. Kaja Kallas, die neue EU-«Aussenministerin» soll – so wird kolportiert – vor Wut getobt haben. Mit dieser Rede sei der Bruch zwischen den USA und Europa besiegelt, hiess es in Brüssel.

Und jetzt, an diesem Karfreitag, empfing die italienische Regierungschefin diesen J. D. Vance turtelnd mit allen Ehren. In Rom weiss man, dass das in Brüssel nicht nur gut ankommt. Zwar ist man sich bewusst, dass man alles versuchen soll, die Beziehungen zwischen den beiden Kontinenten nicht ganz in die Brüche gehen zu lassen. Und man weiss auch, dass in der Realpolitik Befindlichkeiten wenig Platz haben. Und dennoch:

Etwas mehr Haltung und etwas weniger Schmusekurs hätten Meloni gutgetan, heisst es in Römer Oppositionskreisen. Die rüden Attacken von J. D. Vance – alles vergessen. Mehr noch: Meloni lobte gar die Münchner Rede des US-Vizepräsidenten.

Vance im Vatikan

Der zum Katholizismus konvertierte Vance war am Karfreitag mit Frau und Sohn nach Rom gekommen. 

Vance im Vatikan
Vance mit seiner Familie am Karfreitag im Petersdom in Rom (Keystone/Kenny Holston/The New York Times via AP)

Am Samstagmorgen traf er im Vatikan ein und wurde von Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin empfangen. Dabei war auch der Aussenminister des Heiligen Stuhls, der britische Erzbischof Paul Richard Gallagher. Am Sonntag traf Vance im Vatikan auch kurz mit dem Papst zusammen. 

Heute Samstag besucht Vance das Kolosseum und wird am Sonntag an der Ostermesse in der Basilica di San Paolo fuori le mura teilnehmen. Dann reist er nach Indien weiter.

Meloni in Washington

Meloni absolvierte dieser Tage ein gedrängtes Programm. Wenige Stunden vor dem Römer Treffen mit Vance war sie in Washington von Präsident Trump empfangen worden.

Meloni, Trump im Weissen Haus
Meloni, Trump im Weissen Haus (Keystone/AP/Alex Brandon)

Im Oval Office war sie mit überschwänglichem Lob überhäuft worden. Meloni, diese «phantastische» Frau, wie Trump sagt, ist die erste Regierungschefin, die nach der Verhängung der Zölle von Trump empfangen wurde. Das hat einen Grund: Meloni schmeichelt geschickt dem amerikanischen Präsidenten. Im Oval Office betonte sie jetzt Gemeinsamkeiten, stellte keine Forderungen – schon gar nicht, was eine Rücknahme der angedrohten Zölle betrifft. Sie versprach dem Präsidenten, dass Italien zehn Milliarden Dollar in den USA investieren werde. Das ist zwar nicht viel, hat jedoch symbolische Bedeutung. Sie sagte auch zu, die Importe von amerikanischem Gas zu erhöhen und die Militärausgaben zu steigern. Zudem lästerte sie über die «Woke»-Bewegung, die Gleichberechtigung und sprach sich für die Bekämpfung der Migration aus – all das gefällt Trump. Beide beteuern ihre konservativen und neo-nationalistischen Vorstellungen.

Konkret allerdings deutet nichts darauf hin, dass Trump von seiner harten Politik abweicht und dass sich im Zollstreit etwas bewegt.  

Gut für Meloni. Gut für Europa?

Trotzdem war das Treffen für Meloni – innenpolitisch gesehen – wichtig. Sie ist im Moment die einzige Emissärin und Vermittlerin zwischen Europa und den USA. Das stärkt ihre Position in Italien wesentlich. Gleichzeitig schwächt sie damit ihre regierungsinternen Gegner, wie Matteo Salvini, den Chef der rechtspopulistischen Lega. Doch was für Meloni und Italien gut ist, muss nicht gut für Europa sein. In Rom weiss man, dass man in Brüssel Melonis Sonderbehandlung kritisch beäugt. Macht sie Trump Konzessionen, obwohl sie das nicht dürfte, da die EU-Handelspolitik gemeinsam von der Europäischen Union betrieben wird?

Bei ihrem Treffen hat Meloni den US-Präsidenten nach Italien eingeladen. Sie schürte die Hoffnung, dass er kommen würde. Vielleicht käme es dann gar zu einem Treffen mit europäischen Beamten, bei dem das zerrüttete atlantische Verhältnis zur Sprache käme. Wörtlich sagte Meloni: «Ich möchte Trump zu einem offiziellen Besuch in Italien einladen. Wenn es die Möglichkeit gäbe, würden wir gerne ein Treffen mit Europa organisieren.» Kurz darauf fügte sie hinzu: «Ich danke dem Präsidenten, dass er die Einladung angenommen hat. Er wird sich überlegen, ob er mit Europa zusammentreffen will.» Meloni selbst gab dann jedoch zu, Trump habe keine Garantie für einen solchen Besuch gegeben.

Trump: «Europa ist sehr wichtig für mich»

Obschon sie Trump schmeichelte und ihm bei vielen Themen entgegenkam, setzte sie doch eine Rote Linie. Viele in Rom hatten befürchtet, sie würde Trump auch beim Thema Ukraine entgegenkommen. Der amerikanische Präsident hatte in jüngster Zeit Abenteuerliches zum Krieg in der Ukraine gesagt. So erklärte er, Präsident Wolodymyr Selenskyj und Joe Biden hätten den Krieg begonnen und seien schuld an allem menschlichen Leid. Meloni, die seit Kriegsbeginn fest auf Seiten der Ukraine stand, beteuerte jetzt unumwunden, dass «der Eindringling Putin und Russland waren». Und dennoch kam sie Trump ein wenig entgegen: Einer internationalen Schutztruppe für die Ukraine will sie nur zustimmen, wenn Trump damit einverstanden ist. Zudem sagte sie zum ersten Mal Nein zu einem neuen Sanktionsprojekt gegen Russland. 

Auch wenn das Treffen konkret wenig bis nichts brachte, ist doch einiges bemerkenswert. Mehrmals hatte Trump Europa verunglimpft und den Alten Kontinent als «Parasiten» bezeichnet. Europa wolle die USA «betrügen». Jetzt plötzlich, anlässlich des Treffens mit Meloni, sagte er: «Europa ist sehr wichtig für mich.» Er wolle, dass es «Europa gut geht». 

«Wir werden uns zu hundert Prozent einigen»

Doch es sei gewarnt, dies als Kehrtwende Trumps zu interpretieren. Trumps Worte haben oft ein kurzes Verfalldatum. Kurz nach seinen netten Worten zu Europa gab er sich wieder unnachgiebig. Nachdem er Meloni als «Freundin» bezeichnet hatte, sagte er ihr ins Gesicht, er werde seinen Handelspartnern die Zölle «mit Gewalt» auferlegen.

Trotzdem ist es das erste Mal, dass sich Trump für ein Abkommen mit Europa aussprach. Wir werden uns «zu hundert Prozent einigen», sagte er. Doch auch das soll nicht überwertet werden, das könnte nämlich heissen: Europa wird in die Knie gehen und die Trumpschen Forderungen zu hundert Prozent erfüllen. «Wir werden den Deal machen», sagte er. Seinen Deal wohl. 

Trump, Meloni
Trump, Meloni am Donnerstag im Weissen Haus (Keystone/EPA/Will Oliver)

Melonis Spagat

Eigentlich befindet sich Meloni in einer unbequemen Lage. Einerseits will sie die privilegierten Beziehungen zum Weissen Haus aufrechterhalten und pflegen, anderseits darf sie die EU nicht vor den Kopf stossen. Dieser Spagat ist ihr bisher mehr oder weniger gelungen, wenn er auch konkret nichts eingetragen hat. Nach ihrer Rückkehr aus Washington berichtete sie sofort EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von ihren Bemühungen. Doch das war nicht mehr als eine Pflichtübung.

Einerseits sind die Italiener und Italienerinnen stolz auf ihre Ministerpräsidentin. Als einzige in Europa hat sie das Privileg, im Weissen Haus mit allen Ehren empfangen zu werden. Doch die Regierungschefin wird in Italien nicht nur gelobt. In Oppositionskreisen heisst es, sie verrate Europa, spalte die EU, denke nur an sich und Italien – und riskiere damit eine Schwächung der europäischen Position.

Die Begegnung mit Trump hätte ergiebiger verlaufen können. Doch seit dem Eklat mit Selenskyj weiss man: Melonis Besuch in Washington hätte auch schlimmer herauskommen können.

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